2022/II/Wis/2 Vereinbarung von Familie und Beruf verbessern – auch für befristet angestellte Wissenschaftler:innen

An den Landesparteitag der SPD Hamburg möge zur Weiterleitung an den SPD-Bundesparteitag beschließen:

Forderung:

Wir fordern die SPD-Bundestagsfraktion und die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung dazu auf, sich dafür einzusetzen:

  1. Die notwendigen finanziellen und gesetzlichen Grundlagen zu schaffen, sodass auch die Anstellung von wissenschaftlichen Angestellten, die nach WissZeitVG §2 (2) über Fördermittel des Bundes angestellt sind, um die Dauer einer inanspruchgenommenen Elternzeit oder des Mutterschutzes verlängert werden. Dies gilt insbesondere für:

a) Anstellungen auf BMBF- und BMWK-geförderten geförderten Projekten

b)  Anstellungen auf Projekten von Institutionen, deren Grundfinanzierung in großen Teilen durch das BMBF sichergestellt wird. Hierzu zählen z.B. die Helmholtz-Gemeinschaft, die Fraunhofer-Gesellschaft, die Leibniz-Gemeinschaft, und die Max-Planck-Gesellschaft.

2. Für solche Projekte müssen kostenneutrale Verlängerungen durch die Drittmittelgebende gewährleistet werden und eine Vertragsverlängerung durch Arbeitgebende ist verpflichtend einzuführen.

3. Arbeitgeber:innen durch Anpassung der Gesetzeslage dazu zu verpflichten bei Inanspruchnahme von Elternzeit oder Mutterschutz durch wissenschaftliche Angestellte, die nach WissZeitVG §2 (1) oder (2) angestellt sind, diese darauf hinzuweisen, dass eine Verlängerung der Anstellung um die Dauer der nicht erfolgten Erwerbstätigkeit mit ihrer Zustimmung möglich ist. Dieser Hinweis und die Kenntnisnahme durch den/die Angestellte:n sind zu dokumentieren.

Wir fordern die SPD-Bürgerschaftsfraktion und die sozialdemokratischen Mitglieder des Senats auf, die vorangehende erste Forderung für durch die Stadt geförderte Projekte und Forschungseinrichtungen zu realisieren.

Begründung:

Der Anteil der befristet beschäftigten wissenschaftlichen Angestellten unter 45 Jahren an Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen beläuft sich auf 92%. Bei Beschäftigten ohne Promotion unter 35 Jahren sind dies sogar 90-98%, während es bei Promovierten unter 45 Jahren 72-77% sind.[1] Der Median des Alters bei Promotionsabschluss liegt zwischen 30 und 36 Jahren, abhängig von der Fächergruppe. Gleichzeitig besteht bei 73% der kinderlosen Promovierenden ein Kinderwunsch.[2]

Während die Befristung des Arbeitsverhältnisses nur einen Grund von vielen für die Schwierigkeiten bei der Familienplanung darstellt, sollten auch hier Möglichkeiten zur Erleichterung der Planung geschaffen werden. Insbesondere sollten durch die Inanspruchnahme von Mutterschutz und Elternzeit keine Nachteile entstehen.

Deswegen sollte eine Verlängerung der befristeten Anstellungsverhältnisses über die Dauer der nicht erfolgten Erwerbstätigkeit erfolgen, sofern der/die Arbeitnehmer:in dieser zustimmt.

Momentan ist dies nicht für alle befristeten wissenschaftlichen Anstellungsverhältnisse gegeben. Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) unterscheidet zwischen befristeten Anstellungen zur Erlangung einer Qualifikation (WissZeitVG §2 (1)) und solchen die überwiegend aus Drittmitteln finanziert werden (WissZeitVG §2 (2)). Die angestrebte Verlängerung dieser Befristungen ist nur für solche Mitarbeiter:innen gesetzlich festgelegt, die nach WissZeitVG §2 (1) angestellt sind.[3] Selbst für diese wird die Verlängerung in der Praxis jedoch nicht immer umgesetzt. Für Mitarbeiter:innen, die unter WissZeitVG §2 (2) fallen, obliegt die Entscheidungsmacht über Verlängerungen meist der Drittmittel-stiftenden Einrichtung. Deswegen sollen das Land Hamburg, sowie die Bundesregierung und insbesondere das Bundesministerium für Bildung und Forschung hier eine Vorbildrolle einnehmen und auch in diesem Fall eine Verlängerung der Arbeitsverhältnisse verpflichtend für die Drittmittel-stiftende Einrichtung und den Arbeitgeber (im Einverständnis mit dem/der Arbeitnehmer:in) einführen. Dies ist wichtig, da Drittmittel aktuell bis zu zwischen 30% und 60% der Finanzierung von der Forschung an Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen darstellen.[4]

Das Gegenargument zu unserer Forderung, dass bei drittmittelfinanzierten Stellen im Gegensatz zu Qualifizierungsstellen das Forschungsprojekt und nicht das Qualifizierungsziel im Vordergrund stehen ist nur vordergründig zielführend. Die meisten Forschungsprojekte benötigen spezielles Fachwissen, dass sich die Mitarbeiter:innen zum Teil über Monate angeeignet haben und das somit nicht anderweitig während der Elternzeit oder des Mutterschutzes aufgefangen werden kann. Stattdessen muss es den Mitarbeiter:innen ermöglicht werden ihre Expertise anschließend wieder auf die Problemstellung anzuwenden für die Dauer, die sie in Elternzeit oder Mutterschutz verbracht haben.

Ein weiteres Gegenargument, dass Mittel für solche Vertragsverlängerungen eventuell nicht sichergestellt werden können, kann dadurch entkräftet werden, dass die Drittmittelgeber zur Ermöglichung einer kostenneutralen Verlängerung verpflichtet werden sollen

[1] Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs 2021, S. 29

[2] Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs 2021, S. 168

[3] Wissenschaftszeitvetragsgesetz § 2 (5)

[4] Förderartlas 2021, Deutsche Forschungsgemeinschaft, S. 21ff

Beschluss: Annahme
Text des Beschlusses:

An den Landesparteitag der SPD Hamburg möge zur Weiterleitung an den SPD-Bundesparteitag beschließen:

Forderung:

Wir fordern die SPD-Bundestagsfraktion und die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung dazu auf, sich dafür einzusetzen:

  1. Die notwendigen finanziellen und gesetzlichen Grundlagen zu schaffen, sodass auch die Anstellung von wissenschaftlichen Angestellten, die nach WissZeitVG §2 (2) über Fördermittel des Bundes angestellt sind, um die Dauer einer inanspruchgenommenen Elternzeit oder des Mutterschutzes verlängert werden. Dies gilt insbesondere für:

a) Anstellungen auf BMBF- und BMWK-geförderten geförderten Projekten

b)  Anstellungen auf Projekten von Institutionen, deren Grundfinanzierung in großen Teilen durch das BMBF sichergestellt wird. Hierzu zählen z.B. die Helmholtz-Gemeinschaft, die Fraunhofer-Gesellschaft, die Leibniz-Gemeinschaft, und die Max-Planck-Gesellschaft.

2. Für solche Projekte müssen kostenneutrale Verlängerungen durch die Drittmittelgebende gewährleistet werden und eine Vertragsverlängerung durch Arbeitgebende ist verpflichtend einzuführen.

3. Arbeitgeber:innen durch Anpassung der Gesetzeslage dazu zu verpflichten bei Inanspruchnahme von Elternzeit oder Mutterschutz durch wissenschaftliche Angestellte, die nach WissZeitVG §2 (1) oder (2) angestellt sind, diese darauf hinzuweisen, dass eine Verlängerung der Anstellung um die Dauer der nicht erfolgten Erwerbstätigkeit mit ihrer Zustimmung möglich ist. Dieser Hinweis und die Kenntnisnahme durch den/die Angestellte:n sind zu dokumentieren.

Wir fordern die SPD-Bürgerschaftsfraktion und die sozialdemokratischen Mitglieder des Senats auf, die vorangehende erste Forderung für durch die Stadt geförderte Projekte und Forschungseinrichtungen zu realisieren.

Beschluss-PDF:
Überweisungs-PDF: