2023/I/Woh/3 Genossenschaftsmitglieder vor Wohnungsverlust schützen

Status:
Annahme

Der SPD Landesparteitag möge zur Weiterleitung an die SPD-Fraktion in der Bürgerschaft sowie die SPD-Fraktion im Bundestag beschließen:

  1. Die Kündigungsschutzgrenze in § 67c GenG soll in angespannten Wohnungsmärkten zu Gunsten des Genossenschaftsmitglieds erhöht werden.
  2. Zudem soll die Kündigungsschutzgrenze für solche Genossenschaftsmitglieder angepasst werden, die in der Wohnung mit ihren minderjährigen Kindern leben.
Begründung:

Gerät ein Genossenschaftsmitglied in Privatinsolvenz, so kann es seine Genossenschaftsanteile verlieren. Dann büßt das Mitglied auch seine Wohnberechtigung ein und es droht Obdachlosigkeit auf dem umkämpften Hamburger Wohnungsmarkt. Rechtlicher Hintergrund ist, dass der jeweilige Insolvenzverwalter die Genossenschaftsanteile kündigen kann (und muss). Grundsätzlich gibt es eine Schutzvorschrift (§ 67c GenG), die jedoch auf dem angespannten Hamburger Wohnungsmarkt oft nicht greift. Die Schutzvorschrift hat eine starre Grenze für das gesamte Bundesgebiet und berücksichtigt angespannte Wohnungsmärkte nur unzureichend.

Im Einzelnen:

Zur Vermeidung des Wohnungsverlustes gibt es im Genossenschaftsgesetz eine Schutzvorschrift (§ 67c GenG). Demnach darf das Genossenschaftsmitglied seine Anteile behalten, wenn

a) entweder die Pflichtanteile nur 2.000 Euro und weniger betragen oder

b) die Pflichtanteile das Vierfache und weniger der monatlichen Kaltmiete betragen.

Jedoch greift diese Schutzvorschrift in Hamburg oft nicht, weil die Pflichtanteile auf dem Hamburger Wohnungsmarkt oft einen höheren Wert haben. Wir haben für diesen Antrag diverse Genossenschaften gefragt, welchen Wert die Pflichtanteile bei ihnen haben und welches Verhältnis diese zur Kaltmiete haben. Außerdem haben wir mit der LAG Schuldnerberatung Hamburg gesprochen. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die Schutzvorschrift (§ 67c GenG) in vielen Fällen nicht greift. Bei den Genossenschaften ist das Bild von Genossenschaft zu Genossenschaft etwas unterschiedlich. Tatsächlich gab es eine Genossenschaft, bei der fast alle Mitglieder von der Vorschrift geschützt sind. In den anderen Genossenschaften sind es wiederum fast keine Mitglieder oder nur die mit alten Verträgen. Insbesondere Neumitglieder fallen bei den meisten Genossenschaften oft nicht mehr unter die Schutzgrenze.

Ein weiteres Problem ist, wenn in einer Familie nur ein Elternteil Genossenschaftsmitglied ist und entsprechend höhere Anteile für eine größere Wohnung hat. Kündigt der Insolvenzverwalter diesem Mitglied die Anteile, so verliert eine ganze Familie ihre Wohnung.

Wir halten hinsichtlich obigem Buchstaben b. eine Anhebung vom Vier- auf mindestens das Sechsfache für angemessen. Hinsichtlich obigem Buchstabe a. ist bei der Anhebung der 2.000 Euro Grenze zu beachten, dass diese aus dem Jahr 2013 ist und die Inflation diesen Wert seitdem stark verwässert hat. Mithin wäre hier eine Anhebung auf mindestens 3.000 Euro sowie zukünftig eine Kopplung an die Inflation angemessen.

Zum vollständigen Bild gehört, dass die Fachstelle für Wohnungsnotfälle in solchen Fällen die Wohnungen mit Darlehen oder Beihilfe rettet und keine Obdachlosigkeit eintritt. Das gilt aber nur, wenn die betroffenen Personen dorthin gehen und sich helfen lassen. Haben die Leute ihre Verhältnisse nicht im Griff oder schämen sie sich, so verlieren sie ihre Wohnung. Ohnehin halten wir es für falsch, Steuergelder zur Vermeidung von Obdachlosigkeit einzusetzen, wenn man die Leute auch durch eine Gesetzesänderung schützen kann. Dagegen steht das Interesse der Privatgläubiger an einigen tausend Euro mehr Insolvenzverfahren. Der Betrag mag zwar hoch klingen, jedoch erlöst eine Privatinsolvenz im Schnitt nur 1,8 % der geschuldeten Forderungen. Das heißt, die Gläubiger bleiben schon jetzt im Schnitt auf über 98 % ihrer Forderungen sitzen. Ein Grund dafür ist, dass das Vermögen von Privatpersonen regelmäßig recht gering ist. Außerdem erhält der Insolvenzverwalter bei einem Vermögen von unter 25.000 Euro einen Sockelbetrag von 1.000 Euro plus 40 % des Vermögens (= Insolvenzmasse) vom Schuldner. Folglich dient die Pfändung von Genossenschaftsanteilen wirtschaftlich vor allem dem Insolvenzverwalter, nicht jedoch den Gläubigern, die den Rest unter sich aufteilen und dabei im Schnitt auf gerade mal 1,8% ihrer Ansprüche kommen (wobei es natürlich Einzelfälle geben mag, in denen weit höheren Quoten erreicht werden). Letztlich ist es unangemessen erstens das Risiko einzugehen, dass Leute ihre Wohnung verlieren, und zweitens, dass sie mit Steuergeldern gerettet werden müssen, um einen Betrag in eine Insolvenzmasse zu bringen, der im Regelfall den Gläubigern ohnehin nur wenig nützt. Darum ist es unseres Erachtens eine ausgewogene Lösung, den § 67c GenG auf angespannten Mietmärkten zu verschärfen.

 

Beschluss: Annahme in geänderter Fassung
Text des Beschlusses:

Der SPD-Landesparteitag möge zur Weiterleitung an die SPD-Fraktion in der Bürgerschaft sowie die SPD-Fraktion im Bundestag beschließen:

Die SPD-Bundestagsfraktion sollte in Zusammenarbeit mit den Verbänden der Wohnungsbaugenossenschaften (insbesondere dem GdW) einen Gesetzentwurf entwickeln, um

 

  1. die Kündigungsschutzgrenze in § 67c GenG in angespannten Wohnungsmärkten zu Gunsten des Genossenschaftsmitglieds zu erhöhen und

2. die Kündigungsschutzgrenze für solche Genossenschaftsmitglieder anzupassen, die in der Wohnung mit ihren minderjährigen Kindern leben.

Beschluss-PDF:
Überweisungs-PDF: