Der Landesparteitag der SPD Hamburg möge beschließen:
Der SPD-Landesvorstand möge sich dafür einsetzen, dass eine Antidiskriminierungsstelle als Signal für die aktive Integration aller Mitglieder eingerichtet wird.
§ 1 Zweck
Diese innerverbandliche Verständigung hat zum Zweck, alle Mitglieder der Hamburger SPD in ihrer Würde und persönlichen Integrität zu schützen. Sexuelle Belästigung verletzt die Würde und Persönlichkeit und wird in der Hamburger SPD nicht geduldet. Diskriminierung jeglicher Form und sexuelle Belästigung, insbesondere in Verbindung mit Mehrfachdiskriminierung, behindern die Chancengleichheit in der politischen Arbeit und beeinträchtigen das Engagement, die Zusammenarbeit und die politische Arbeit. Ziel dieser innerverbandlichen Verständigung ist es, eine gleichberechtigte Diskussions- und Gesprächsgrundlage für alle Mitglieder unabhängig von Geschlecht, sexueller Neigung, Ethnifizierung, sozialer Herkunft oder körperlicher Verfassung zu gewährleisten.
§ 2 Geltungsbereich
(1) Die innerverbandliche Verständigung gilt innerhalb der Hamburger SPD im Rahmen der politischen Arbeit und des gesellschaftlichen Miteinanders.
(2) Alle Personen in der Hamburger SPD sind aufgefordert, die persönlichen Grenzen im zwischenmenschlichen Kontakt, auf die andere Personen Anspruch erheben, zu respektieren. Zugleich sollen Personen, die sich sexuell belästigt oder diskriminiert fühlen, ermutigt werden, der belästigenden Person unmissverständlich ihr Unbehagen zu zeigen und damit selbst Grenzen zu setzen.
§ 3 Definitionen
(1) Als sexuelle Belästigung gilt jede Verhaltensweise mit sexuellem Bezug, die seitens der betroffenen Person unerwünscht ist, die eine Person aufgrund ihres Geschlechts (z.B. Frauen, Trans:menschen, Intersexe, Männer) oder ihrer sexuellen Orientierung (z.B. Homo-, Bi- oder Asexualität) herabwürdigt und/oder eine Nichtakzeptanz als gleichwertige Diskussions- und Gesprächspartner:innen impliziert. Sexuelle Belästigung kann unterschiedliche Formen annehmen, zum Beispiel:
(I) anzügliche und sexuell herabsetzende Bemerkungen gegenüber der betroffenen Person,
(II) sexistische Sprüche und Witze,
(III) Fixierung sexuell relevanter Körperteile, Hinterherpfeifen,
(IV) unerwünschte Telefonanrufe / Briefe / E-Mails / SMS / Chatnachrichten / Privatnachrichten in sozialen Medien mit zumindest latent sexuellem Bezug,
(V) Vorzeigen, Aufhängen oder Auflegen von sexistischem pornographischem Material,
(VI) unerwünschte Körperkontakte und wiederholt aufdringliches Verhalten,
(VII) Annäherungsversuche, die mit Versprechen von Vorteilen oder Androhen von Nachteilen einhergehen und das Ausnutzen von Vertrauenspositionen in diesem Zusammenhang,
(VIII) Erpressen oder Erzwingen sexueller Beziehungen,
(IX) körperliche Übergriffe, sexuelle Nötigung und Vergewaltigung.
(2) Als rassistische Diskriminierung gilt jede Verhaltensweise, die eine Person wegen ihrer äußeren Erscheinung oder ihrer (zugeschriebenen) Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Nationalität oder Religion herabwürdigt und/oder eine Nichtakzeptanz als gleichwertige Diskussions- und Gesprächspartner:innen impliziert.
(3) Sexualisierte Mehrfachdiskriminierung ist die Kombination von Sexismus und sexueller Belästigung mit weiteren Diskriminierungsarten wie aufgrund von Ethnifizierung, sozialer Herkunft, körperlicher Verfassung oder Alter.
§ 4 Innerverbandliche Prävention und Schulung
Es ist anzustreben, dass sämtliche Mitglieder über die Selbstverpflichtung Kenntnis haben. In der politischen Arbeit der Hamburger SPD ist darauf zu achten, dass die gesellschaftlichen Ursachen für Sexismus und sexuelle Belästigung diskutiert werden und der Kampf dagegen Bestandteil der Politik der Hamburger SPD ist. Zum anderen müssen die Mitglieder für die Problemfelder Sexismus und sexuelle Belästigung sensibilisiert werden. Es muss daran gearbeitet werden, ein Verbandsklima zu schaffen, in dem Sexismus und sexuelle Belästigung, auch in Verbindung mit Mehrfachdiskriminierung, keinen Platz haben. Dabei spielen Veranstaltungen im präventiven Bereich und thematische Veranstaltungen eine zentrale Rolle. Der Landesvorstand legt alle zwei Jahre gemeinsam mit dem Rechenschaftsbericht einen Gleichstellungsbericht vor.
§ 5 Zusammensetzung der Antidiskriminierungsstelle
(1) Es wird eine Antidiskriminierungsstelle aus Vertrauenspersonen gebildet. Der Landesparteitag legt vor der Wahl die Zusammensetzung der Antidiskriminierungsstelle fest. Sie besteht aus zwei bis fünf Mitgliedern. Sie muss aus je gleichvielen Frauen* und Männern* bestehen; eine ungerade Zahl an Mitgliedern kann festgelegt werden, wenn Menschen, die sich nicht im Rahmen der binären Geschlechterordnung definieren, ihr angehören wollen; die Quotierung muss beachtet werden.
(2) Nicht wählbar als Vertrauensperson sind Mitglieder des Landesvorstandes, die Vorsitzenden der Kreisverbände der Hamburger SPD sowie die Vorsitzenden der Kreis- und Landesarbeitsgemeinschaften.
§ 6 Aufgaben der Antidiskriminierungsstelle
Die Aufgaben der Antidiskriminierungsstelle sind:
(1) eine vertrauliche Anlaufstelle für eine Person, die sich diskriminiert oder sexuell belästigt fühlt, darzustellen, um sie über mögliche Schritte zu beraten und zu informieren, wobei eine Einbeziehung externer Beratungskompetenz in Betracht kommt,
(2) ein vertrauliches Verfahren zur Klärung der Vorfälle einzuleiten,
(3) die verbindliche Teilnahme an mindestens einer durch den Landesverband zu finanzierenden Weiterbildungsmaßnahme innerhalb von zwei Monaten nach der Wahl durch den Landesparteitag,
(4) die Bekanntmachung der Antidiskriminierungsstelle innerhalb der Hamburger SPD, indem die Mitglieder
(I) um ihre Einladung in allen Kreisen werben, um sich dort persönlich vorzustellen und ihre Kontaktdaten bekannt zu geben und dies mit einem Vortrag über die eigene Arbeitsweise und über Diskriminierung in verschiedenen Ausprägungen verbinden, Bewusstsein schaffen und Berührungsängste nehmen,
(II) auf Anfrage der Kreisverbände diese bei der Arbeit vor Ort unterstützen,
(III) auf Landesparteitagen eine Vorstellungsrede für die Kommission halten, Informationsmaterial zur Arbeit der Antidiskriminierungsstelle und Beispielen für verschiedene Arten von Diskriminierung erarbeiten, das allen Kreisverbänden und Neumitgliedern zur Verfügung gestellt wird,
(IV) eine Webpage auf den Seiten des Hamburger Landesverbands, die mindestens im Bereich der Arbeitskreise und -gemeinschaften angeordnet wird, pflegen,
(V) ihre öffentlichen Kontaktdaten aktuell halten,
(5) die Bildung von und Beteiligung an temporären (veranstaltungsbezogenen) Awarenessteams der Hamburger SPD (Awarenessteam: manchmal auch „Unterstützungsgruppe“ genannt; steht Betroffenen von Übergriffen oder diskriminierendem Verhalten zur Seite),
(6) dem erweiterten Landesvorstand jährlich Rechenschaft über ihre öffentliche Arbeit nach § 6 Abs. 4 Nr. 3-5 abzulegen.
(7) jährlich dem Landesvorstand Bericht zu erstatten über die Anzahl der Fälle, aufgeschlüsselt anhand der vorgenommenen Kategorisierungen in § 3 Absatz 1, Absatz 2 und 3.
(8) die Evaluierung des Beispielkataloges in § 3 Absatz 1, die Anleitung eines Diskussionsprozesses über die Definitionen weiterer Diskriminierungsarten und die Entwicklung von Beispielkatalogen für diese, sowie für § 3 Absatz 2 analog zum Beispielkatalog in § 3 Absatz 1.
§ 7 Verfahren zur Klärung der Fälle
(1) Ein Mitglied, das sich diskriminiert oder sexuell belästigt fühlt, kann bei der Antidiskriminierungsstelle ein Verfahren beantragen. Der Antrag ist schriftlich oder zur Niederschrift durch ein Mitglied der Antidiskriminierungsstelle und begründet einzureichen. 31
(2) Die Antidiskriminierungsstelle entscheidet über die Einleitung eines Verfahrens. Der Antrag kann nur abgelehnt werden, wenn
(a) er offensichtlich unbegründet ist,
(b) die strafrechtliche Relevanz der Vorwürfe die Einschaltung der Staatsanwaltschaft erforderlich macht. Im Falle der Ablehnung nach § 7 Abs. 2 (b) ist ein Parteiordnungsverfahren beim zuständigen SPD-Kreisvorstand anzuregen.
(3) Die Antidiskriminierungsstelle gibt der antragstellenden Person Gelegenheit zur Erläuterung ihres Antrags. Danach hat die beschuldigte Person Gelegenheit, zu den Vorwürfen Stellung zu beziehen. Auf Antrag eines Beteiligten ist die direkte Konfrontation der Beteiligten zu vermeiden. Die Beteiligten können sich von einer Person ihres Vertrauens begleiten lassen.
(4) Die Antidiskriminierungsstelle hört weitere Personen an, die zur Klärung des Vorfalls beitragen können.
(5) Nach sorgfältiger Prüfung kann die Antidiskriminierungsstelle
(I) im Einvernehmen mit den Beteiligten Maßnahmen zur Konfliktbeilegung festlegen,
(II) bei fehlendem Einvernehmen
(a) festhalten, dass der Antrag unbegründet ist,
(b) die Einleitung eines Parteiordnungsverfahrens beim zuständigen SPD-Kreisvorstand anregen. Der Antrag ist zu verbinden mit einer Empfehlung für eine Maßnahme nach § 35 Abs. 2 OrgStatut der SPD. In Betracht kommt dabei insbesondere ein (unter Umständen befristetes) Teilnahmeverbot an Veranstaltungen des Landesverbandes, an Sitzungen eines Kreises, eines Arbeitskreises des Landesverbandes, des erweiterten Landesvorstands und/oder des Landesparteitags sowie ein Funktionsverbot auf Landesebene und/oder auf Kreisebene und der Ausschluss aus der Partei.
(6) Alle Entscheidungen der Antidiskriminierungsstelle sind schriftlich zu begründen. Sie berichtet dem Landesvorstand von ihren Entscheidungen. Das Verfahren und alle in ihm erlangten Informationen, insbesondere die Namen der Betroffenen, sind von allen Beteiligten streng vertraulich zu behandeln.
(7) Sofern sich herausstellt, dass eine Person zu Unrecht beschuldigt wurde, kann diese Person verlangen, dass die Einstellung des Verfahrens verbandsöffentlich bekannt gegeben wird.
Erfolgt mündlich.