2025/II/Soz/7 Wirklich keine Bezahlkarte – Selbstbestimmung statt Kontrolle!

Status:
Nicht Abgestimmt

Der Landesparteitag der SPD Hamburg möge beschließen:
Die SPD-Bürgerschaftsfraktion und sozialdemokratischen Mitglieder des Senats werden aufgefordert, alle Pläne für die Einführung einer Bezahlkarte („SocialCard“) für Bürgergeldbezieher*innen sofort zu stoppen und auch in Zukunft nicht weiter zu verfolgen. Ebenso sollen alle Versuche, weitere Sozialleistungen durch Bezahlkarten auszuzahlen, umgehend gestoppt werden. Die Sozialbehörde wird aufgefordert, Bürgergeldempfänger*innen bei der Einrichtung eines Bankkontos zu unterstützen und sie bei den entstehenden Kontoführungsgebühren finanziell zu entlasten. Bezahlkarten lehnen wir in jeglicher Form ab. Darüber hinaus sollen sich die Vertreter*innen der SPD Hamburg auch auf Bundesebene klar gegen die Einführung solcher Bezahlkarten einsetzen.

Begründung:

Das Bürgergeld wurde 2019 auf dem Bundesparteitag beschlossen um die Ära von Hartz IV zu beenden. Seit seiner Einführung im Jahre 2023 steht es, besonders durch rechte Akteure immer wieder unter Beschuss und wird von diesen genutzt, um Stimmung gegen Arbeitslose zu machen. Statt die Reform gegen diese Stimmungsmache zu verteidigen, höhlte bereits die Ampelregierung die Reform immer weiter aus, bis von den Fortschritten wie der Abkehr von den strikten Sanktionen oder der Karenzzeit von einem Jahr für Schonvermögen nichts mehr übrig war.
In dieser Debatte wurde immer wieder betont, dass das Bürgergeld ungerecht sei, da der Lohnabstand zu klein sei und Bürgergeldempfänger*innen teilweise mehr Geld bekämen als Menschen, die zum Mindestlohn arbeiteten. Dies ist nicht nur eine Lüge, wie die Studie „Lohnt sich Arbeit in Deutschland noch?“ der Hans-Böckler-Stiftung im August 2025 zeigte, sondern sorgt auch für eine Spaltung zwischen Arbeitslosen und Angestellten im Niedriglohnsektor. obwohl beide von einem hohen Arbeitslosengeld profitieren würden. So ist es für Gewerkschaften einfacher, höhere Löhne für Angestellte im Niedriglohnsektor zu verhandeln, wenn die soziale Absicherung besser ist, da so der Druck auf die Arbeitgeber*innen steigt. Sowohl Angestellte als auch Arbeitslose haben also ein Interesse an höheren und besser zugänglichen Sozialleistungen.
Doch statt dies im öffentlichen Diskurs zu betonen, trägt die SPD immer weiter Verschlechterungen die Lage von Bürgergeldbezieher*innen mit. Schon im Dezember 2024 zeigten Recherchen von „Frag den Staat“ und der „Zeit“, dass die Vertreter*innen der FHH sich auf Bundesebene dafür einsetzten eine Bezahlkarte auch für Bürgergeldempfänger*innen einzuführen.
Die Einführung einer Bezahlkarte ist sozialpolitisch falsch, praktisch untauglich und widerspricht den Grundwerten der Sozialdemokratie. Statt die finanzielle Selbstbestimmung zu stärken, führt sie zu Stigmatisierung, zusätzlichen Hürden und gesellschaftlicher Ausgrenzung.
Bereits auf dem letzten Landesparteitag im April hatten die Jusos Hamburg einen Antrag gegen die Bezahlkarte gestellt. Damals wurde uns in den Beratungen von der Antragskommission zugesichert, eine Einführung sei „unter keinen Umständen geplant“ und das Thema „damit aus der Welt“. Auf dieser Grundlage wurde der Antrag zurückgezogen. Dass dies eine Fehleinschätzung war, zeigte sich wenige Monate später: Die Presse berichtete, dass die Sozialbehörde die Ausweitung der Bezahlkarte ausdrücklich befürwortet. Damit hat sich bestätigt, dass die Kritik der Jusos berechtigt war.
Auch wenn man sich tiefergehend mit den Argumenten der Befürworter*innen der Bezahlkarte auseinandersetzt sind dort eklatante Lücken zu finden. Sie argumentieren häufig mit Bürokratieabbau und angeblichen Einsparungen. Doch dieses Argument trägt nicht. Es geht lediglich um eine sehr kleine Gruppe von Bürgergeldbezieherinnen ohne eigenes Konto. Für sie gibt es längst praktikable Lösungen: Die Hamburger Sparkasse bietet unter dem Motto „Meine Bank heißt ALLE willkommen“ jedem Menschen ein Konto an – auch als P-Konto. Schon heute gibt es Basiskonten für 4,95 € monatlich. Es wäre sinnvoller und kostengünstiger, wenn die Stadt diese Gebühren übernimmt, anstatt ein teures, restriktives und diskriminierendes Parallel-System wie die Bezahlkarte aufzubauen.
Hinzu kommt, dass die Erfahrung mit der Bezahlkarte für Geflüchtete zeigt, welche massiven Nachteile solche Systeme mit sich bringen. Dazu gehören pauschale Bargeldlimits, die Gerichte bereits als rechtswidrig eingestuft haben, das Verbot von Überweisungen und Onlinekäufen, die Beschränkung auf bestimmte Händler oder Postleitzahlen sowie die Gefahr automatisierter Sanktionen. Eine Ausweitung dieser Praxis auf Bürgergeldbezieher*innen würde nicht Bürokratie abbauen, sondern neue Hürden schaffen und staatlich organisierte Gängelung etablieren.
Die Folgen sind Stigmatisierung, Scham und die Gefahr der sozialen Isolation. Schon heute verzichten 54 % der Eltern, die Bürgergeld beziehen, auf eigenes Essen zugunsten ihrer Kinder. 42 % aller Bürgergeldbeziehenden geben an, sich für ihren Leistungsbezug zu schämen. Eine Bezahlkarte würde diese Situation verschärfen und Betroffene weiter entmündigen.
Sozialdemokratische Politik muss das Gegenteil leisten: Sie muss Menschen befähigen, ihr Leben selbstbestimmt zu führen, Teilhabe ermöglichen und ein menschenwürdiges Existenzminimum garantieren. Die Bezahlkarte steht für Misstrauen, Restriktionen und Kontrolle und ist damit mit unseren Werten nicht vereinbar.
Darum fordern die Jusos Hamburg: Keine Bezahlkarte, weder in Hamburg noch auf Bundesebene.

Überweisungs-PDF: