2024/I/Soz/1 Verschärfte (Total-)Sanktionen im Bürgergeld zurücknehmen!

Status:
Annahme

Der Landesparteitag der SPD Hamburg möge beschließen und anschließend an den Bundesparteitag der SPD weiterleiten:
Die Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion, die Sozialdemokrat*innen im Senat der Freien und Hansestadt Hamburg werden aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass die Anfang Januar vom Bundeskabinett und möglicherweise durch weitere Instanzen beschlossenen schärferen “Totalsanktionen” im Bürgergeld zurückgenommen werden.

Begründung:

Während wir trotz des demografischen Wandels Beschäftigungsquoten auf Rekordniveau erleben, wurden in der zweiten Januarwoche Totalsanktionen im Bürgergeld vom Kabinett beschlossen und könnten bereits zum 2. Februar Gesetz werden. Wer “zumutbare” Jobs ausschlägt, kann demnach durch die Agentur für Arbeit zwei Monate lang das Bürgergeld komplett gestrichen bekommen, allein Wohn- und Heizkosten bleiben verschont. Diese Sanktion ist schärfer als Sanktionen im alten Hartz-IV-System.
Dass mit den Sanktionen, die versprochenen 170 Mio. € gespart werden könnten, ist zumindest fraglich. Von den 3,9 Millionen erwerbsfähigen Bürgergeld-Empfängern wurden lediglich 23.400 Personen überhaupt mit Sanktionen wegen mangelhafter Mitwirkung belegt – also gerade einmal 0,6 Prozent! Dieser verschwindend geringe Anteil ist kein Beleg für ein gescheitertes Bürgergeld, sondern zeigt, welches absurd verdrehte Bild Medien und Politik seit Jahrzehnten von angeblich faulen erwerbslosen Personen zeichnen.
Es scheint also nicht einmal darum zu gehen, auf Kosten der Ärmsten den Haushalt zu sanieren, sondern um Symbolpolitik, mit der neoliberale Kräfte in der Parteienlandschaft und den Medien befriedet werden sollen. Nicht die 0,6 Prozent lassen das Bürgergeld scheitern, sondern das Aufgeben eines sozialdemokratischen Anspruchs in der Sozialpolitik und ein Gesetz selbst, dass Bürgergeldempfänger*innen unter den Generalverdacht der Faulheit stellt.
Menschen, die „sich willentlich weigern“, vermeintlich gute Jobs anzunehmen, wird der Wille gebrochen. Ihnen wird jegliche Verhandlungsposition genommen, sie werden in häufig schlecht bezahlte Jobs oder in die Existenznot gedrängt, während der Niedriglohnsektor weiter gefüttert wird.
Belege, dass Sanktionen nachhaltige positive Effekte auf die Integration in den Arbeitsmarkt hätten, gibt es nicht. Zu dem Schluss kommt auch ein Forschungsbericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (Die Forschungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit) zu Sanktionen aus dem November 2022. Negativfolgen von Sanktionen sind hingegen schon lange bekannt, wie ebenfalls aus dem Bericht hervorgeht.
„Wir werden statt Hartz IV ein unkompliziertes Bürgergeld einführen, das konsequent auf Hilfe und Ermutigung statt auf Sanktionen setzt“, verkündete unser sonst sehr geschätzter Arbeitsminister bei Regierungsantritt der Ampel noch hoffnungsfroh.
Unser sozialdemokratischer Anspruch muss sein, dafür zu sorgen, dass Arbeit sich wieder lohnt. Das bedeutet: Tarifbindung im großen Stil stärken, Mindestlohn anheben.
Haushaltslöcher können wir aber auch grundsätzlich nicht stopfen, indem wir uns ein paar Millionen von den Ärmsten holen, während schätzungsweise 100 Milliarden Euro jährlich von Großkonzernen und Reichen an Steuer ertrickst und hinterzogen werden. Lasst uns ehrlich für echte Lösungen kämpfen statt Symbolpolitik zu machen.

Beschluss: Annahme in geänderter Fassung
Text des Beschlusses:

Der Landesparteitag der SPD Hamburg möge beschließen und anschließend an den Bundesparteitag der SPD weiterleiten: Die Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion werden aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass die Anfang Januar vom Bundeskabinett und möglicherweise durch weitere Instanzen beschlossenen schärferen “Totalsanktionen” im Bürgergeld zurückgenommen werden.

Beschluss-PDF:
Überweisungs-PDF: