2024/I/Arb/6 Überschuldung verhindern – Armutsfallen bekämpfen

Status:
Annahme

Der Landesparteitag der SPD Hamburg möge beschließen und an den SPD Bundesparteitag weiterleiten:
Die SPD Bundestagsfraktion wird dazu aufgefordert:

1. Ein mit dem Kurzarbeitergeld vergleichbares Instrument zur Absicherung von nicht versicherungspflichtig Beschäftigten zu schaffen,
2. die Institutionalisierung der Beratungsangebote für Selbstständige voranzutreiben und
3. sich für eine öffentlichkeitswirksame Kampagne des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) zur Arbeit der Schuldnerberatungsstellen einzusetzen.

Begründung:

Knapp sieben Mio. Menschen in Deutschland gelten als überschuldet. Somit ist jeder zehnte Erwachsene Mensch betroffen. Überschuldung bedeutet nach dem Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, dass Einkommen und Vermögen über einen längeren Zeitraum trotz Reduzierung des Lebensstandards nicht ausreichen, um fällige Forderungen zu begleichen.
Durch die Auswirkungen von Corona und des andauernden Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine rutschen immer mehr Menschen in die Überschuldung.
Die verbreitete Wahrnehmung von Überschuldung ist, dass es sich um eine private Angelegenheit handelt. Betroffenen wird eine persönliche Schuld zugewiesen. Oft leiden überschuldete Menschen unter ihrer Situation, was zu psychischem Stress, Krankheit, und weniger sozialer Teilhabe führt.
Studien (iff-Überschuldungsreport 2019; FES, Private Überschuldung in Deutschland 2021) belegen, dass weniger als 20 Prozent der Fälle von Überschuldung auf sogenanntes „vermeidbares Verhalten“ – wie Konsumverhalten und Haushaltsführung – zurückzuführen ist. Vielmehr bringen externe Faktoren wie Arbeitslosigkeit, Scheidung oder Trennung, Krankheit, und Einkommensarmut Menschen in die Überschuldung.
Absicherung für nicht versicherungspflichtig Beschäftigte
Von finanziellen Einbußen und drohender Überschuldung besonders betroffen sind prekär Beschäftigte, Selbstständige und Menschen in Ausbildung. Kurzarbeitergeld ist ein wirksames Instrument, krisenbedingte Armut abzufedern und Überschuldung vorzubeugen.
Analog zum Kurzarbeitergeld fordern wir ein Absicherungsinstrument über die versicherungspflichtige Beschäftigung hinaus für Minijober*innen und prekär Beschäftigte.
Beratungsangebote für Selbstständige
Starke Einkommenseinbußen haben auch Solo-Selbstständige schwer belastet. Davon besonders betroffen sind solo-selbstständige Frauen, die zu einem Drittel weniger als 1.500 Euro netto im Monat verdienen (Hans-Böckler-Stiftung, Selbstständige in der Corona-Krise 2021).
Das von der öffentlichen Hand finanzierte Angebot an Schuldner- und Insolvenzberatungs-stellen für abhängig Beschäftigte Menschen soll daher auf Solo-Selbstständige oder Inhaber*innen von Kleinstunternehmen, die vor Schulden- und Überschuldungsproblemen stehen, erweitert werden.
Kampagne für Aufmerksamkeit
Schuldnerberatungsstellen sind nach wie vor kaum bekannt und werden nicht als Unterstützungsinstrument wahrgenommen. Gerade zu Beginn einer potenziellen Überschuldungssituation ist eine Schuldnerberatung jedoch wirksam.
Die neue ministerielle Zuständigkeit durch das BMUV muss genutzt werden, um auf die Arbeit der Schuldnerberatungsstellen durch eine öffentlichkeitswirksame Kampagne aufmerksam zu machen.

Beschluss: Annahme in geänderter Fassung
Text des Beschlusses:

Der Landesparteitag der SPD Hamburg möge beschließen und an den SPD-Bundesparteitag

weiterleiten: Die SPD-Bundestagsfraktion wird dazu aufgefordert, sich für eine öffentlichkeitswirksame Kampagne des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) zur Arbeit der Schuldnerberatungsstellen einzusetzen.

Beschluss-PDF:
Überweisungs-PDF: