Der Landesparteitag möge beschließen, die Vertreter:innen der SPD in Senat und Bürgerschaft mögen darauf hinwirken, eine Bundesratsinitiative einzuleiten, um die Steuerlöcher „Share Deal“ und „Unit Deal“ im Grunderwerbsteuerrecht zu schließen und
- sich im Hinblick auf den Share Deal dafür einsetzen,
- einen Besteuerungstatbestand für den Erwerb von Anteilen an Immobiliengesellschaften zu schaffen, bei dem nach Erreichen von niedrig anzusetzenden Schwellenwerten, am besten Werten in Euro, die Grunderwerbsteuer jeweils anteilig anfällt,
- dabei die Definition des Begriffs „Immobiliengesellschaft“ so auszugestalten, dass er nicht durch andere reine Anlageobjekte wie zum Beispiel Gold oder Fondanteile verwässert wird und auch die Verwaltung anderer Vermögensgegenstände nicht als fremder Geschäftszweck angesehen wird und
- bei Anteilswechseln in Immobiliengesellschaften hinsichtlich der Grunderwerbsteuer steuerliche Transparenz zu etablieren,
- sich im Hinblick auf den “Unit Deal” dafür einsetzen die wirtschaftliche Betrachtungsweise nach § 39 Abs. 2 Abgabenordnung auch auf das Grunderwerbsteuerrecht anzuwenden,
und sie mögen zudem prüfen,
6. ob und wieweit die unter Ziffer 1 dieses Antrags vorgeschlagene Lösung auch zur Stärkung von Vorkaufsrechten nutzbar gemacht werden kann.
Hedgefonds, Immobilienkonzerne und andere Großinvestoren zahlen beim Immobilienkauf in der Regel keine Grunderwerbsteuer, weil sie verschiedene Steuerlöcher ausnutzen. Dadurch zahlen Sie im Ergebnis weniger für eine Immobilie. Schätzungsweise mehr als eine Milliarde Euro pro Jahr verlieren Länder und Kommunen dadurch. Geld, welches Städte und Kommunen gerade nach der kostspieligen Corona-Zeit dringend benötigen. Die problematischen Steuerlöcher sind bekannt unter den Bezeichnungen „Share Deal“ und „Unit Deal“.
Share Deal
Beim Share Deal verpacken Investoren ihre Immobilien in Gesellschaften und verkaufen danach die Gesellschaftsanteile. Bei einem Verkauf von bis zu 89,9% der Gesellschaftsanteile bleibt ein solcher Anteilsverkauf (engl. Share Deal) steuerfrei. Wirtschaftlich übertragen die Beteiligten aber nur Immobilien, weil die Gesellschaften nahezu nichts Anderes besitzen.
Die Lösung ist ein Sondertatbestand für Immobiliengesellschaften im Grunderwerbsteuergesetz. Sinngemäß sollte das Gesetz eine Immobiliengesellschaft wie folgt definieren: Eine Immobiliengesellschaft ist eine Gesellschaft, (i) deren mittelbares oder unmittelbares Eigentum im Wesentlichen aus Grundstücken, Sondereigentum, Wohneigentum, grundstücksgleichen Rechten oder anderen damit zusammenhängenden Rechten wie zum Beispiel Miet- und Pachtansprüchen besteht und (ii) die außer der Verwaltung dieses Eigentums keinen anderen erheblichen gewerblichen Tätigkeiten nachgeht. Dabei darf „reine Vermögensverwaltung“ nicht als andere gewerbliche Tätigkeit gelten. Außerdem dürfen Anlageprodukte und anderes Vermögen wie Aktienfondanteile oder Goldzertifikate nicht bei der Vermögensdefinition mitzählen, wenn dieses nur zu dem Zweck der Vermögensverwaltung in der Gesellschaft ist. Anderenfalls ließen sich beispielsweise Aktien und Gold in die Gesellschaften legen, um den Immobilienanteil zu verwässern und die Grunderwerbsteuer erneut zu umgehen.
Die Grunderwerbsteuer muss pragmatisch und berechenbar bleiben. Durch jeweils abgestufte Schwellenwerte, bei deren Erreichen die Grunderwerbsteuer erst fällig wird, lässt sich verhindern, dass bei jedem noch so kleinen zusätzlichen Anteilserwerb die Grunderwerbsteuer erneut anfällt. Dies meint den Fall, wenn ein Investor zum Beispiel mit 500.000 Euro an einer Immobiliengesellschaft beteiligt ist und nun einen weiteren Anteil von 10.000 Euro kauft, so dass er danach 510.000 Euro hält. Es ist zu bürokratisch, wenn er auf diesen zusätzlichen Betrag wieder Grunderwerbsteuer zahlen muss. Vorzugswürdig ist, wenn er erst bei Erreichen der nächsten Schwelle von zum Beispiel 600.000 Euro wieder Grunderwerbsteuer zahlen muss. Niedrigere Beteiligungsanstiege sind zu melden und werden über die Zeit automatisch zusammengezählt. Damit bleibt die Besteuerung pragmatisch und berechenbar. Mit einer solchen anteiligen Steuerpflicht löst sich außerdem das verfassungsrechtliche Problem (vgl. Drs. 21/19575, S. 3 Ziffer 2), das im Hinblick auf den Typisierungsrahmen der aktuellen Regelung bestehen. Alternativ kann man auch auf prozentuale Beteiligungen anstatt Eurowerte Bezug nehmen. Dies meint den Fall, wenn ein Investor zum Beispiel mit 5 % an einer Immobiliengesellschaft beteiligt ist. Bei abgestuften Schwellenwerten würde erst bei Überschreiten der nächsten Schwelle von zum Beispiel 10 % wieder Steuer anfallen und nicht schon bei einer Erhöhung der Beteiligung von 5 % auf 5,1 %. Ein Bezug auf prozentuale Beteiligungen hat allerdings eine Ungleichbehandlung zur Folge, da die Werte von Immobiliengesellschaften stark schwanken. Denn es gibt Immobiliengesellschaften, bei denen eine 5 % Beteiligung einen Wert von 500.000 Euro oder auch einen Wert von 10 Millionen Euro hat. Dementsprechend kann eine Erhöhung der Beteiligung um 5 Millionen Euro in einem Fall eine Steuer auslösen, aber in einem anderen Fall steuerfrei bleiben. Darum ist ein Bezug zu Eurowerten sachgerechter. Dies meint freilich nicht Werterhöhungen in Euro nach dem Anstieg von Immobilienpreisen, sondern nur den Wert einer Beteiligungserhöhung.
Unit Deal
Daneben existieren als zweites Steuerloch sogenannte „Unit Deals“ und ähnliche Treuhandkonstellationen. Hierbei hält eine vorgeschaltete Person das Eigentum an einer Immobilie. Wirtschaftlich gehört die Immobilie jedoch Hinterleuten, welche die Immobilie finanziert haben und die Gewinne abschöpfen. Die Grunderwerbsteuer ist blind bezüglich dieser Hinterleute. Somit können Investoren die Anteile der Hinterleute kaufen, ohne Grunderwerbsteuer zu zahlen.
Konkretes Beispiel für Unit Deals ist die „Kapitalverwaltungsgesellschaft“ (kurz KVG) und das hinter ihr stehende „Sondervermögen“. Der Gesetzgeber hat die KVG geschaffen, um – wie der Name sagt – Kapital (Aktien, Immobilien etc.) zu verwalten. Das dahinterstehende Sondervermögen finanziert dieses Kapital und erhält die Gewinne. Nach außen tritt dabei nur die KVG in Erscheinung, während das dahinterstehende Sondervermögen rechtlich unsichtbar ist. Denn das Sondervermögen ist nicht rechtsfähig, sondern ist eine bloße Vermögensmasse. Die Anleger schicken ihr Geld durch das Sondervermögen hindurch an die KVG und die KVG erwirbt mit dem Geld u.a. Immobilien. Wenn nun ein neuer Anleger Anteile an dem Sondervermögen kauft, dann muss er keine Grunderwerbsteuer zahlen. Denn die Grunderwerbsteuer schaut nur auf die nach außen auftretende KVG. Dies ermöglicht es, das wirtschaftliche Eigentum an Immobilien zu erwerben, ohne Grunderwerbsteuer zu zahlen.
Die Lösung für Unit Deal und ähnliche Treuhandkonstellationen liegt in einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise der Eigentumsverhältnisse. Das deutsche Steuerrecht kennt diese wirtschaftliche Betrachtungsweise schon, siehe § 39 Abs. 2 Abgabenordnung. Dieser bereits existente Ansatz muss sich auf das Grunderwerbsteuerrecht erweitern. Mit diesem Vorschlag beschäftigt sich im Übrigen auch der wissenschaftliche Dienst des Bundestags in seiner Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 117/19 „Unit Deals im Grunderwerbsteuerrecht“.
Der Landesparteitag möge beschließen, die Vertreter:innen der SPD in Senat und Bürgerschaft mögen darauf hinwirken, eine Bundesratsinitiative einzuleiten, um die Steuerlöcher „Share Deal“ und „Unit Deal“ im Grunderwerbsteuerrecht zu schließen und
- sich im Hinblick auf den Share Deal dafür einsetzen,
- einen Besteuerungstatbestand für den Erwerb von Anteilen an Immobiliengesellschaften zu schaffen, bei dem nach Erreichen von niedrig anzusetzenden Schwellenwerten, am besten Werten in Euro, die Grunderwerbsteuer jeweils anteilig anfällt,
- dabei die Definition des Begriffs „Immobiliengesellschaft“ so auszugestalten, dass er nicht durch andere reine Anlageobjekte wie zum Beispiel Gold oder Fondanteile verwässert wird und auch die Verwaltung anderer Vermögensgegenstände nicht als fremder Geschäftszweck angesehen wird und
- bei Anteilswechseln in Immobiliengesellschaften hinsichtlich der Grunderwerbsteuer steuerliche Transparenz zu etablieren,
- sich im Hinblick auf den “Unit Deal” dafür einsetzen die wirtschaftliche Betrachtungsweise nach § 39 Abs. 2 Abgabenordnung auch auf das Grunderwerbsteuerrecht anzuwenden,
und sie mögen zudem prüfen,
6. ob und wieweit die unter Ziffer 1 dieses Antrags vorgeschlagene Lösung auch zur Stärkung von Vorkaufsrechten nutzbar gemacht werden kann.