Der Landesparteitag der SPD Hamburg möge beschließen:
In Justizvollzugsanstalten der Freien und Hansestadt Hamburg sollen Gefangenen die Kommunikation nach außen erleichtert werden. Dazu soll rechtlich verpflichtend geregelt werden, dass:
• Allen Gefangenen ein Haftraummediensystem (HamSy) und ein Haftraumtelefon bzw. ein Handy zur Verfügung gestellt werden.
• Die Leistungen eines HamSy maximal zu Preisen angeboten werden, die auch außerhalb von Gefängnissen üblich sind, langfristig soll die Kommunikation kostenfrei werden.
• Die Leistungen, die auf einem HamSy möglich sind, gemeinsam mit den Gefangenen evaluiert werden und an die Wünsche und Bedürfnisse der Gefangenen angepasst werden.
• Einschränkungen zum Opferschutz und das Abhören und Aufzeichnen von Telefonaten von Gefangenen nur auf Richterlichen Beschluss im Einzelfall möglich sein.
Um das zu gewährleisten, muss die Zusammenarbeit mit der Telio Management GmbH und deren Tochterfirmen kritisch evaluiert werden. Kann Telio diese Dienstleistungen nicht zur Verfügung stellen, soll die Freie und Hansestadt Hamburg ein eigenes System bereitstellen und sich im Bundesrat für eine Verstaatlichung der Telio Management GmbH einsetzen.
Die Grundlage des deutschen Strafsystems legt das Ziel, Menschen zu resozialisieren. Kommunikation nach außen fördert dabei nachweislich die Resozialisierung, da so Kontakt zu der Gesellschaft möglich ist in die man wieder aufgenommen werden soll. Daher ist klar, dass die Bereitstellung dieser Kommunikationsmöglichkeiten absolut im Geiste einer Sozialdemokratischen Justiz- und Innenpolitik ist. Wir folgen damit dem Beispiel skandinavischer Länder die immer wieder zeigen, dass liberalere Haftbedingungen zu einem langfristig besseren Ergebnis für die Gefangenen und die Gesellschaft führen.
Zurzeit gibt es technisch drei Möglichkeiten für Gefangene nach außen zu kommunizieren. Flurtelefone, Haftraumtelefone oder Haftraummediensysteme (HamSy). Die Flurtelefone bieten durch ihre öffentliche Lage in den Gefängnissen kaum Privatsphäre. Diese Problematik erkannte auch der Hamburger Senat und führte im April 2022 Haftraumtelefone ein. Mit diesen können Gefangene in ihren Zellen gegen Gebühr telefonieren. Die modernste Möglichkeit sind HamSy. Dies sind Tabletts auf denen u.A. Videotelefonate, Radio- und Fernsehempfang, eReader, Spiele und ein sehr begrenzter Internetzugang möglich ist.
Das Angebot von HamSy sollte erweitert werden. Dabei sollten auch Wünsche von Gefangenen eingebunden werden könne, wie z.B. ein Musik- oder Serienstreamingdienste.
Während der Corona-Pandemie hat Hamburg als einziges Bundesland einfache Mobiltelefone an die Gefangene ausgeteilt, um der ausbleibende Besuch zu ersetzen und Kontakt an den Flurtelefonen zu minimieren. Nach Aussage der Justizbehörde gab es durch die Nutzung von Mobiltelefonen keine weiteren Probleme entstanden. Leider wurden die Handys den Gefangenen im September 2020 wieder abgenommen. Wir sehen das Projekt trotzdem als Erfolg und wollen die Ausgabe von Handys wieder ermöglichen.
Dass Unternehmen welches in Deutschland über 90% der Gefangenen mit Kommunikationsdienstleistungen versorgt ist die Telio Management GmbH und deren Tochterfirmen. Telio hält also ein Monopol auf einen Teil der öffentlichen Infrastruktur. Die Preisliste, die Telio für Dienste auf einem HamSy ansetzt werfen massive Fragen auf. So fordert das Unternehmen bspw. 20 Cent pro Minute Videotelefonie. Auf diese Praxis setzte Telio auch bei Standardtelefonaten, bei denen ein Preis von 20-70 Cent pro Minute verlangt wurde, bis das Bundesverfassungsgericht diese Praxis im November 2017 für Verfassungswidrig erklärte. Zusätzlich bietet Telio gegen einen Preis Open-Source und Free-to-play Spiele an (obwohl in der Ausschreibung der FHH eigentlich eine Art Konsolenfunktion gewünscht wurde), ohne diese bei ihren Erstellern zu lizensieren. Telio verstößt also offen gegen Urheberrecht.
Telio ist besonders bekannt dadurch geworden, dass ihr System offensichtliche Sicherheitslücken hatte, die mit grundliegenden Skills im Programmieren genutzt werden konnten, um an private Daten von Häftlingen zu gelangen wie z.B. Name, Kontostand, angerufene Nummern und sogar Aufzeichnungen von Telefonaten. In diesem Rahmen setzte sich der Justizausschuss bereits mit Telio auseinander. Die Wünsche nach einem Anbieterwechsel werden aber höchstwahrscheinlich aufgrund der Monopolstellung Telios auch nach der Neuausschreibung im April 2025 nicht erfüllt. Dabei ist die zentrale Funktion der Software von Telio das Abhören und Aufzeichnen von Telefongesprächen. Dies ist eine Leistung die bei vielen Gefangenen gar nicht notwendig wäre, und für Gefangene eine Hürde darstellen mit Angehörigen, Ärzten oder Psychologen zu kommunizieren. Daher soll Abhören von Telefonen im Gefängnis nicht ohne, dass ein Gericht zustimmt, möglich sein.
Sollte sich zur Ausschreibung im April 2025 wieder nur Telio bewerben ohne die Konditionen für Gefangene sowohl service- als auch preistechnisch massiv zu verbessern ist aus unserer Sicht klar, dass dieses Monopol auf staatlicher Kommunikationsinfrastruktur nicht weiter hinzunehmen ist. Die FHH sollte, am besten in Zusammenarbeit mit anderen Bundesländern an einem staatlichen System arbeiten und sich im Bundesrat dafür einsetzen Telio und seine Tochterfirmen zu verstaatlichen, um zu garantieren, dass tatsächlich Resozialisierung wieder die Grundlage für Kommunikation in Gefängnissen ist und nicht Gewinnmaximierung.