2022/I/Soz/8 Reibungsloses Verlassen der stationären Jugendhilfe in ein unabhängiges Wohnen

Status:
Annahme

Der Landesparteitag möge zur Weiterleitung über den Bundesparteitag an die Bundestagsfraktion beschließen:

41a I SGB VIII soll nach Satz 1 um folgendes ergänzt werden:

Dazu sind insbesondere folgende Hilfen zu gewähren:

1. Umzugskosten werden bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen werden bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn die Beendigung der Hilfe nach § 41 erfolgt ist. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden. Das Darlehen ist erst nach Beendigung des Mietvertrages zurückzuzahlen.

2. Leistung zur Deckung von Bedarfen für die Erstausstattung der Wohnung.

3. Erteilung der Bürgschaftserklärung durch den örtlich zuständigen kommunalen Träger zur Sicherung des Mietvertrages der/s jungen Volljährigen.

4. Ein regelmäßiges Beratungsangebot durch den zuständigen kommunalen Träger bis zum 23. Lebensjahr.

Bei den anstehenden Änderungen im Leistungsrecht für Kinder und Jugendlichen ist hierfür eine geeignete Regelung zur Kostentragung durch den Bund mit zu verankern.

Begründung:

Nach § 41 SGB VIII haben junge Volljährige die Jugendhilfe bis spätestens zum 21. Lebensjahr zu verlassen und meist wird die Beendigung der Hilfe sogar früher angeordnet. In diesem Alter verfügen jedoch die wenigsten über ausreichend finanzielle Mittel, um eine neue Wohnung beziehen zu können. Wenn wir von Careleavern (junge Erwachsene, die die Jugendhilfe verlassen) fordern, dass sie die Jugendhilfe in einem noch recht jungen Alter zu verlassen haben, sollten wir auch dafür sorgen, dass dies für sie ohne große Unannehmlichkeiten möglich ist

Schließlich ist es auch In einem „normalen“ Elternhaus üblich, dass junge Erwachsene bei ihrem Auszug finanziell unterstützt werden. Auf solch eine Hilfe können die meisten aus der stationären Kinder- und Jugendhilfe selten vertrauen. Aufgrund dessen, dass diese Personengruppe nicht für ihre Lage verantwortlich ist, sollten wir für grundsätzlich gleiche Voraussetzungen sorgen. So sollten Careleaver die gleichen Hilfen erwarten dürfen, die eine/ein junge/r Volljährige/r auch von ihren/seinen Eltern erhält. Im Grunde benötigen sie sogar noch mehr Unterstützung, da Personen im Alter zwischen 18-21 selten über eine ausreichende finanzielle Einnahmequelle verfügen. Um dieses Defizit zu kompensieren, sollten deshalb folgende Unterstützungen gewährleistet werden:

Umzugskosten

Bei einem Umzug können schnell hohe Kosten entstehen. Dies liegt insbesondere daran, dass ggf. ein Transporter gemietet und Verpackungsmaterial gekauft werden muss. Dabei kommen schnell ein paar hundert Euro zusammen. Auch bei Empfänger:innen von ALG II werden die Umzugskosten nach SGB II § 22 VI übernommen. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb Careleaver ein geringeres Bedürfnis nach dieser Hilfe haben sollten, weshalb ihnen diese gewährleistet werden sollte.

Mietkaution

Üblicherweise wird zum Abschluss eines Mietvertrages eine Sicherheit in Form der Mietkaution verlangt. Diese liegt üblicherweise bei drei Nettokaltmieten. Selbst bei kleinen Wohnungen können dabei schnell 1.500€ in der Großstadt gefordert werden. Diese sind aufgrund der meist nicht vorhandenen Einnahmequellen von den wenigsten jungen Volljährigen aufzubringen. Deshalb brauchen sie auch hier Unterstützung, wie es bei Empfänger:innen von ALG II auch wieder bereits der Fall ist. Dieses soll als Darlehen gewährt werden und erst zurückzuzahlen sein, wenn der Mietvertrag der/des jungen Volljährigen beendet wird. Damit wird gewährleistet, dass Careleaver im Alltag keine finanziellen Einbußen im Vergleich zu Gleichaltrigen haben.

Erstausstattungsgeld

Das Erstausstattungsgeld steht als separate Leistung bereits den Careleavern nach § 24 Absatz 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB II und § 31 Absatz 1 Nr. 1 bis 3 SGB XII zu. Jedoch geht dies aus dem Gesetzeswortlaut nicht eindeutig hervor, womit das Jobcenter oftmals den Antrag eines Careleavers auf Erstausstattungsgeld versagt. Damit ein Anspruch auf diese Hilfe für die Behörden klar erkennbar ist und auch die jungen Volljährigen um ihre Ansprüche wissen, sollte der Anspruch deshalb zur Klarstellung auch seinen Platz in § 41a SGB VIII finden.

Bürgschaft zur Sicherung des Mietvertrages

Neben der zuvor erwähnten Kaution fordern nahezu alle Vermieter zusätzlich die Bürgschaft der Eltern oder sie nehmen nur die Bürgschaft zur Sicherung. Zu den Eltern fehlt vielen Careleavern der Kontakt oder ihr Einkommen reicht nicht aus. Damit der Umzug daran nicht scheitert, sollte der zuständige öffentliche Träger die Bürgschaft zur Sicherung des Mietvertrages übernehmen. Gegen die Übernahme der Bürgschaft im Falle einer erfolgten Kaution, ließe sich anführen, dass diese Art der Doppelsicherung rechtswidrig ist (vgl. BGH, Urteil vom 30.06. 2004 – VIII ZR 243/03) und der Gesetzgeber damit diese Vorgehensweise offiziell akzeptiere. Jedoch ist dies leider bereits gängige Praxis, unter der die schwächsten Glieder unserer Gesellschaft nicht leiden sollten. Bis eine Regelung gefunden wurde, um die Doppelsicherung einzudämmen, sollte deshalb die Bürgschaft für Careleaver von öffentlichen Trägern gewährt werden.

Regelmäßiges Beratungsangebot

Die Grundidee des § 41a SGB VIII war es, Careleaver durch ein Beratungsangebot nach dem Verlassen der Jugendhilfe zu unterstützen. Diese Maßnahme sollte aufgrund der Konkretisierung und Erweiterung der Norm nicht verloren gehen. Das Beratungsangebot soll insbesondere dazu dienen, Probleme rechtzeitig zu erkennen und effektive Lösungsmöglichkeiten für die jungen Volljährigen zu finden. Das Maximalalter von 23 Jahren resultiert daraus, dass junge Volljährige in diesem Lebensabschnitt üblicherweise ihren Weg ins eigene Wohnen finden und ihren Abschluss oftmals beenden.

 

 

Beschluss: Annahme in geänderter Fassung
Text des Beschlusses:

Der Landesparteitag möge zur Weiterleitung über den Bundesparteitag an die Bundestagsfraktion beschließen:

§ 41a I SGB VIII soll nach Satz 1 um folgendes ergänzt werden: Dazu sind insbesondere folgende Hilfen zu gewähren: 1.Umzugskosten werden bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen werden bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn die Beendigung der Hilfe nach § 41 erfolgt ist. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden. Das Darlehen ist erst bei Erzielung eines entsprechenden Einkommens zurückzuzahlen.  2.Leistung zur Deckung von Bedarfen für die Erstausstattung der Wohnung 3.Erteilung der Bürgschaftserklärung durch den örtlich zuständigen kommunalen Träger zur Sicherung des Mietvertrages des jungen Volljährigen. 4.Ein regelmäßiges Beratungsangebot durch den zuständigen kommunalen Träger bis zum 23. Lebensjahr.

Beschluss-PDF:
Überweisungs-PDF: