Der Landesparteitag der SPD Hamburg möge beschließen:
Die SPD-Fraktion der Hamburgischen Bürgerschaft und die sozialdemokratischen Mitglieder des Senats werden dazu aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass das Baugebiet Fischbeker Reethen als ein nachhaltiges Quartier mit Modellcharakter entwickelt wird, in dem die Schwerpunkte auf möglichst effiziente lokale Ressourcennutzung gelegt werden. Sämtliche Möglichkeiten zur möglichst klimaneutralen Energieausbeute sind dabei einzusetzen.
Ein neues Kombibad Süderelbe mit Wärmerückgewinnung aus Grauwasser, lokale Biogaserzeugung aus Schwarzwasser, Pflanzenkläranlagen zur Brauchwassergewinnung, Solarthermie und Photovoltaik, Regenwasserversickerung. Das sind die Ideen für ein nachhaltiges Modellquartier im Südwesten Hamburgs.
Wasser, Wasser, Wasser…
Nach Angaben des Umwelt Bundesamt nutzt im Schnitt jede Person in Deutschland täglich knapp 130 Liter Trinkwasser im Haushalt, etwa für Körperpflege, Kochen, Trinken, Wäschewaschen oder auch das Putzen. Der überwiegende Anteil des im Haushalt genutzten Trinkwassers wird für Reinigung, Körperpflege und Toilettenspülung verwendet. Nur geringe Anteile nutzen wir tatsächlich zum Trinken und für die Zubereitung von Lebensmitteln. Ein Großteil davon gelangt in das Abwasser. Zusätzliche Flüssigkeiten und Biomasse werden durch Getränke und Speisen zugeführt. Eine riesige Menge an Abwässern fließt in den unterirdischen Sielanlagen ungenutzt zu den Klärwerken, wo es aufwändig aufbereitet werden muss. Dabei ist dieses Wasser ein hochwertiger Energieträger. Doch werden die Bestandteile stark durchmischt und müssen in den Klärwerken wieder getrennt werden. Würden Grauwasser, also fäkalienfreies, gering verschmutztes Abwasser aus Bädern, Duschen oder Waschmaschinen und Schwarzwasser, also häusliches Abwasser mit fäkalen Feststoffen – ohne Grauwasser – getrennt abgeleitet, könnten Reinigungsprozesse eingespart und enthaltene Energie genutzt werden.
Hierfür sind jedoch geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen, was im Bestandsbau nur unter hohem Aufwand möglich ist. Anders sieht es jedoch aus, wenn ganze Quartiere neu erschlossen und entsprechend geplant werden. Diese Chance bietet das Gebiet Fischbeker Reethen in Neugraben-Fischbek.
Fischbeker Reethen – Ein nachhaltiges Quartier entsteht
Die Region Süderelbe zieht immer mehr Menschen an. Hier sind in den vergangenen Jahren Tausende neue Wohnungen entstanden und es werden noch Tausende hinzukommen. Dieses Wachstum stellt hohe Anforderungen an die Infrastruktur, die mitwachsen muss. ÖPNV, Velorouten, neue Schulen und Kitas, soziale Angebote, Jugend- und Freizeittreffs, aber auch das lange geforderte und benötigte Kombibad als Freizeiteinrichtung – ebenso wie auch als dringend erforderliches Lehrbad zur Förderung der frühen Schwimmfähigkeit – benötigen Energie, die möglichst klimaneutral, aber auch kostengünstig erzeugt werden muss.
Hier bieten sich durchaus innovative Konzepte an. Erzeugte Energie aus jedweder Quelle ist eine Ressource, mit der verantwortungsvoll umgegangen werden muss. Was nutzt uns aus Geothermie (Erdwärmepumpen / Eisspeicherheizungen), Solarthermie und Photovoltaik erzeugte Energie, wenn das Duschwasser mit 30 Grad Restwärme oder mehr in den Sielen unter den Straßen ungenutzt abgeleitet wird? Wieviel Energie aus Nahrung setzt jeder Mensch am Tag in Wärme und Biomasse um, die auf natürlichem Weg ebenfalls in den Sielen landet? Welche Mengen an Gewerbeabwässern werden im Fischbeker Reethen in die öffentlichen Siele eingeleitet werden?
Lokale Energieverwertung
Erzeugte Energie sollte möglichst vollständig verwertet werden. Am besten dort, wo sie entsteht.
Wärmerückgewinnung im Grauwasser
Daher sind lokale Wärmerückgewinnungen zur Nutzung der Sekundärenergie ein vielversprechender Weg zur Emissionsreduzierung ebenso wie zur Kostendämmung. Dies sollte gerade bei hohen Energiebedarfen wie in einem Kombibad berücksichtigt werden.
Ein gelungenes Beispiel für eine solche Nutzung ist das Berliner Stadtbad Schöneberg „Hans Rosenthal“. (Ja, der hat dort wirklich schwimmen gelernt. Im Alter von 25 Jahren, da er als Jude in der Nazizeit keine öffentlichen Schwimmbäder besuchen durfte.)
„Das Schwimmbad in Schöneberg gehört zu den ersten Projekten, die [das Energietechnikunternehmen] PEWO mit einer Wärmerückgewinnung aus Abwasser realisiert hat – ein System, das eigentlich in jede Kanalisation gehört, denn dort wird noch sehr viel Wärmeenergie buchstäblich heruntergespült.
Die rückgewonnene Wärmeenergie wird mit einer Kaskade aus Gas-Wärmepumpen auf das nötige Temperaturniveau angehoben und dem Betrieb der großen Sportschwimmhalle zur Verfügung gestellt.“
„In 4 Jahren Betrieb wurden ca. 700 MWh Wärmeertrag aus Abwasser gewonnen – das entspricht einer Solarthermie-Anlage mit ca. 500 qm Kollektorfläche.“
(https://www.pewo.com/fallbeispiele/abwasser-als-energietrager/)
Auch Hamburg Energie sammelt mit der Wärmerückgewinnung aus Abwasser bereits Erfahrungen: „Gemeinsam setzen FRANK und HAMBURG ENERGIE in einem Barmbeker Neubauquartier erstmals die Nutzung von Abwasserwärme aus dem Siel um. Mittels Wärmetauscher wird dem Abwasser seine Restwärme entzogen, so dass zukünftig 149 Miet- und Eigentumswohnungen in der Dieselstraße regenerativ mit Energie für Heizung und Warmwasser versorgt werden.“ (https://www.hamburgenergie.de/ueber-uns/presse/pressemeldung/article/hamburger-quartier-nutzt-waerme-aus-abwasser/) Während das Konzept in Berlin in einem bestehenden Bad umgesetzt wurde, bietet sich im Fischbeker Reethen die beinahe einmalige Gelegenheit, dies schon in der Planung zu berücksichtigen. Nicht nur in der Planung des Kombibads, sondern bereits in der Planung der Abwassersiele und dem direkten Einbau der Wärmetauschsysteme in die Siele. Solche Systeme sind nicht vor jeder Haustür möglich. Sie können effizient nur dort betrieben werden, wo große Wassermengen zusammenkommen, also viele kleinere Siele zu einem großen Siel vereint werden. Dabei wird von einem Mindestdurchmesser von 800 mm ausgegangen. Dies kann sowohl bei der Standortplanung des Bads als auch bei der Streckenführung der Sielsysteme berücksichtigt werden. Hierbei sind auch die möglichen Auswirkungen auf die Abwasserreinigungsanlagen zu berücksichtigen. Diese sollten sich jedoch in beherrschbaren Grenzen halten, wie schon 2004 aus einer Publikation des schweizerischen Bundesamts für Energie hervorgeht: „Die Energiemenge, die sich in Form von Abwärme aus dem Abwasser gewinnen lässt, ist riesig. Dies zeigt folgender Vergleich: Wenn wir Abwasser beim Wärmeentzug um lediglich 1 Kelvin abkühlen, um den Betrieb der Abwasserreinigungsanlage (ARA) möglichst nicht zu beeinträchtigen, können wir aus 1 m3 Abwasser rund 1,5 Kilowattstunden Wärme gewinnen. Aus dem gleichen m3 Abwasser kann in einer ARA etwa 0,05 m3 Klärgas erzeugt werden. Dies entspricht einem Energieinhalt von rund 0,3 Kilowattstunden. Mit anderen Worten: Das Potenzial an Abwärme im Abwasser ist um ein Vielfaches grösser als das Potenzial an Klärgas auf den ARA.“ (Leitfaden für Inhaber, Betreiber und Planer von Abwasserreinigungsanlagen und Kanalisationen, https://um.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m-um/intern/Dateien/Dokumente/5_Energie/Energieeffizienz/Abwasserwaermenutzung/Leitfaden_Ratgeber/Leitfaden_Waerme_aus_Abwasser.pdf)
Biogasgewinnung durch Schwarzwasser
Mittels Unterdruckspülungen – wie wir sie aus WC-Anlagen in Fernzügen und Flugzeugen kennen – kann eine enorme Menge an Trink- oder Brauchwasser eingespart und gleichzeitig ein energiereiches Substrat, das Schwarzwasser, gewonnen werden. Dieses kann in Biogasanlagen zu Gas verarbeitet und direkt vor Ort zur Wärmegewinnung genutzt werden.
Mit dem Quartier Jenfelder Au hat Hamburg Wasser ein entsprechendes Wasserkonzept entwickelt und umgesetzt.
Der HAMBURG WATER Cycle® (HWC) bietet einen neuen Ansatz in der Abwasserwirtschaft, der mit dem konventionellen Prinzip der Schwemmkanalisation nicht mehr viel gemeinsam hat. Das wegweisende und innovative Konzept des HAMBURG WATER Cycle® sieht eine Trennung der Stoffströme des Abwassers vor. Während das konventionelle System das gesamte häusliche Abwasser gemeinsam in das Siel leitet und behandelt, werden die Abwasserströme im HWC voneinander abgekoppelt. So wird das Schwarzwasser, welches bei der Nutzung der Toilette entsteht, vom Grauwasser, also Küchen-, Bad- und Waschmaschinenabwasser, separiert. Auch das Regenwasser wird beim HAMBURG WATER Cycle® separat behandelt. Das allgemeine Ziel des neuen Entwässerungskonzepts lautet nicht mehr nur zu behandeln, sondern auch zu verwerten. Die Nutzung des Abwassers wird dabei an die spezifischen Eigenschaften des Schwarz-, Grau- und Regenwassers angepasst, um möglichst effiziente und ökologisch ertragreiche Ergebnisse zu erhalten. Das Schwarzwasser eignet sich aufgrund seiner hohen Konzentration an organischen Stoffen für eine Vergärung und die Produktion von Biogas. Unter Zugabe weiterer Biomasse kann so Energie in Form von Wärme und Strom erzeugt werden und die energieintensive Reinigung des Wassers vermieden werden. Nach der anaeroben Behandlung kann dieser Stoffstrom dann zur Bodenverbesserung oder Düngung weiter verwertet werden. Ohne die gemeinsame Ableitung mit dem Schwarzwasser kann das Grauwasser energieschonender gereinigt und in die Umwelt zurückgeführt oder auch als Brauchwasser genutzt werden. Mittels der gewonnenen Biogasenergie kann die Wärmeversorgung des Kombibads über ein Blockheizkraftwerk gedeckt werden und zusätzlich können Wohneinheiten vor Ort versorgt werden.
Regenwasserversickerung vor Ort
Das Regenwassermanagement des HAMBURG WATER Cycle® sieht vor, dass das Wasser naturnah und vor Ort bewirtschaftet wird. Die Versickerung wird unterstützt, die Verdunstung der Böden und der Vegetation forciert und das Wasser kann als gestaltendes Element in der Freiflächenplanung genutzt werden.
Aus Grauwasser wird Brauchwasser
Durch die bereits höhere Qualität des Grauwassers ohne fäkale Anteile ist die Nutzung als Brauchwasser nur noch ein kleiner Schritt. Mittels Pflanzenkläranlagen kann dieses ebenfalls vor Ort hinreichend gereinigt werden.
Dabei handelt es sich um Anlagen zur Abwasserreinigung, bei der die Selbstreinigungskraft der Natur genutzt. Abwässer werden Teichen mit ausgewählten Sumpfpflanzen zum Zwecke der biologischen Abwasserreinigung zugeführt. Der mit den Pflanzen besetzte Boden- oder Wasserkörper wird vertikal oder horizontal durchströmt. Im Zusammenspiel von Pflanze, Boden und darin lebenden Mikroorganismen werden im Pflanzenbeet sowohl organische als auch anorganische gelöste Stoffe abgebaut oder durch Bindung an den Bodenkörper aus dem Abwasser eliminiert. Ebenso tragen die Pflanzenkläranlagen zu einer Reinigung des Abwassers durch Verminderung der Gesamtkeimzahl bei. Pflanzenkläranlagen eignen sich aufgrund ihrer Abbauleistungen vorzugsweise für die Reinigung gering belasteter kommunaler Abwässer. Aber auch stark belastetes Abwasser aus Industrie und Gewerbe oder Sickerwasser gelten u.U. und bei geeigneter Anpassung (Adaptation) der Pflanzenkläranlage an die Schadstofffracht und hinreichender Größe als umsetzbar, soweit eine Abbaubarkeit gegeben ist. Pflanzenkläranlagen unterscheiden sich von technischen Kläranlagen im Wesentlichen dadurch, dass in ihnen das Abwasser ohne künstliche Belüftung gereinigt wird. Während der Passage des Abwassers durch den von Schilf durchwurzelten Boden oder durch mit Schilf oder Binsen bepflanzten Kies/Sandschichten, wird das Abwasser sowohl mechanisch gefiltert als auch durch die im Boden Mikroorganismen gereinigt. Gemeinsames Kennzeichen der Pflanzenkläranlagen ist die Bepflanzung mit Sumpfpflanzen (Schilf Binsen u. a.), denen ein aktiver Beitrag zur Reinigung des Abwassers zugeschrieben wird.
Das so gewonnene Brauchwasser kann wiederum zum Betrieb von WC-Spülungen, zur lokalen Pflanzenbewässerung aber auch als hauswirtschaftlich genutztes Wasser, verwendet werden.
Und dann gibt es noch die Sonne…
Weiterer Energiegewinn – vor allem für das Kombibad – ist durch Sonnenenergie möglich. Über Solarthermie kann die Wassertemperatur mittels Wärmetauschern gesteuert werden und Strom kann über Photovoltaik erzeugt werden. Dachflächen und Außenflächen stehen zur Verfügung. Statt unter einem Sonnenschirm kann man sich auch unter einem entsprechend gestalteten PV-Schirm einen schattigen Platz suchen. Und soll es dann noch die geliebte Portion Pommes beim Schwimmbadbesuch geben, so kann das Frittierfett nach der Nutzung gleich in der Biogasanlage ohne lange Transportwege verwertet werden – neben weiteren organischen Energieträgern, die vor Ort als Abfall anfallen.
Hamburgs geballte Kompetenz
Hamburg Energie, Hamburg Wasser mit den beiden Unternehmensteilen Hamburger Wasserwerke GmbH und die Hamburger Stadtentwässerung AöR, die Bäderland Hamburg GmbH sowie die HEG Hamburger Entsorgungsgesellschaft mbH im Bereich der Entsorgung von Speiseresten und Altfetten können hier gemeinsam einen Mehrwert zum HAMBURG WATER Cycle® schaffen. Mit geeignetem Contracting für Bau, Betrieb, Wartung und längerfristigen Bezugsmodellen können hier verlässliche und kalkulierbare Geschäftsmodelle zwischen den städtischen Unternehmen geschaffen werden.
In einfacher Sprache
Im Hamburger Stadtteil Neugraben-Fischbek werden über 2000 Wohnungen neu gebaut. Das Baugebiet heißt Fischbeker Reethen. Die Menschen, die dort leben werden, brauchen Heizung, Strom und warmes Wasser. Das soll möglichst nicht viel kosten und auch nicht schlecht für die Umwelt sein. Deshalb soll keine Energie verschwendet werden. Das passiert aber, wenn warmes Wasser einfach weggespült wird. Doch daraus kann die Wärme noch genutzt werden. Auch das, was in den Toiletten landet, kann noch genutzt werden. Daraus kann Biogas gemacht werden. Und damit kann dann auch geheizt werden. Auch die Sonne kann genutzt werden. Daraus kann Strom und auch Wärme gewonnen werden. In dem neuen Wohngebiet sollen alle diese Möglichkeiten genutzt werden. Das sollen verschiedene städtische Unternehmen gemeinsam planen und umsetzen. Die haben mit so etwas schon Erfahrungen gesammelt.
Der Landesparteitag der SPD Hamburg möge beschließen:
Die SPD-Fraktion der Hamburgischen Bürgerschaft und die sozialdemokratischen Mitglieder des Senats werden dazu aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass das Baugebiet Fischbeker Reethen als ein nachhaltiges Quartier mit Modellcharakter entwickelt wird, in dem die Schwerpunkte auf möglichst effiziente lokale Ressourcennutzung gelegt werden. Sämtliche Möglichkeiten zur möglichst klimaneutralen Energieausbeute sind dabei einzusetzen.