2022/II/Ges/7 Pflege als Schlüssel unseres Gesundheitssystems

Status:
Zurückgezogen

Der Landesparteitag der SPD Hamburg möge beschließen:

Wir fordern die SPD-Hamburg, die Mitglieder der SPD-Bürgerschaftsfraktion sowie die sozialdemokratischen Mitglieder des Senates auf, sich für folgende Forderungen einzusetzen:

I. Im klinischen Bereich:

  1. Das Bonuszahlungen an Pflegekräfte als Wertschätzung der Bedeutung ihrer Pflegetätigkeit für die Gesellschaft ausgezahlt werden. Die Zahlungen erfolgen gestaffelt nach Dienstjahren und sollen auch Rückkehrer:innen in den Pflegeberuf umfassen.
  2. Die Bereitstellung von Mitteln für zusätzliches Personal, das pflegeferne Tätigkeiten übernimmt. Die Mehrkosten sollen dabei die Krankenkassen tragen.
  3. Ein Umdenken in der Personalbemessung nötigenfalls als Bundesratsinitiative herbeizuführen:
  4. a) Kurzfristig muss §2 Art. I S. 1 PpUGV[1] dahingehend konkretisiert werden, dass in der stationären Personalbemessung nur Pflegefachkräfte berücksichtigt werden, die an der selbstständigen Patient:innenversorgung direkt beteiligt sind.
  5. b) Langfristig soll die SPD Hamburg sich auf Bundesebene für die Umsetzung der im Koalitionsvertrag festgesetzten Pflegepersonalregelung 2.0. (PPR 2.0.) einsetzen.

II. Im Ambulant-pflegerischen-Bereich:

  1. Qualitative Untergrenzen für Materialien und Hilfsmittel, sowie einen landesweit vorgegebenen Qualitätsstandard zu setzen. Die zur Sicherstellung der Einhaltung notwendigen Kontrollen soll das Amt für Arbeitsschutz Hamburg übernehmen.
  2. Die Schaffung des Berufsbildes der Gemeindepfleger:innen (sog. Community Health Nurses) durch den Bund soll auch in Hamburg unterstützt werden. Dafür müssen bürokratiearme, städtische Strukturen geschaffen werden, die den Einsatz der Community Health Nurses als Knotenpunkt von pflegerischen, medizinischen und sozialen Leistungen ermöglichen.

III. Zur Stärkung des Tarifsystems:

  1. Innerhalb der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) ist darauf hinzuwirken, dass im Rahmen künftiger Tarifverhandlungen der Lohn um den Betrag von zwei Entgeltgruppen – zumindest für die Gruppen P5 bis P13 – erhöht wird.
  2. Zur Sicherstellung flächendeckend angemessener Bezahlung, soll die bestehende Beschlusslage der SPD zur Förderung von Allgemeinverbindlichkeitserklärungen auf Bundesebene vorangetrieben werden.

[1] Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung

Begründung:

Die Pandemie hat uns vor Augen geführt, was wir schon lange wissen: Wir haben ein Problem in der Pflege!

In der Pandemie hat sich die erste Katastrophe angebahnt. Die psychische und physische Belastung ist untragbar geworden und die tägliche Begleitung von Tod, Krankheit und Trauer zollt ihren Tribut. Immer mehr Pfleger:innen verlassen ihren Beruf und orientieren sich um. Die weiter fortschreitende Unterbesetzung betrifft hier alle Bereiche der pflegerischen Versorgung, von Säuglingsstationen bis zur Geriatrie. Dass Pflegefehler aufgrund von Personalmangel und Unterversorgung auf den Intensiv- und Normalstationen entstehen, ist allgemein bekannt. Um diesen Trend aufzuhalten, bedarf es eines Umdenkens in der Personalbemessung. Eine Umformulierung des § 2 I 1 PpUGV führt zu einer direkten Entlastung, da Dienstpläne nur noch mit wirklich am Patienten arbeitenden Personal geplant werden dürfen. Langfristig ist die Forderung aus dem Koalitionsvertrag über die PPR 2.0. zu unterstützen, die eine Personalbemessung nach tatsächlichem Bedarf ermöglichen soll. Zudem soll zusätzliches Personal den bereits überlasteten Pfleger:innen die pflegefernen Tätigkeiten abnehmen, um diesen so zu ermöglichen sich wieder mehr um ihre Patient:innen zu kümmern.

Wir sind als alternde Gesellschaft besonders auf Pflegefachkräfte angewiesen. Aufgrund dieser Tatsache soll die Wertschätzung der Pflegekräfte durch Bonuszahlungen ausgedrückt werden. Diese sollen nach Dienstjahren gestaffelt sein und auch Rückkehrer:innen zugutekommen, die sich dazu entscheiden in den Pflegeberuf zurückzukehren. Ausländische Fachkräfte dürfen und können nicht das einzige Mittel sein, um unser marodes Gesundheitssystem zusammenzuhalten. Ausländische Pflegekräfte werden in ihren Heimatländern gebraucht, daher wäre es unsolidarisch mit unseren EU-Freundschaftsstaaten, wenn wir alleinig auf Hilfe durch ausländisches Personal setzen. Die Arbeitsbedingungen in der Pflege müssen grundlegend verbessert werden und nicht einfach auf die Schulter derer verlagert werden, die sich vermeintlich weniger wehren können, wie beispielsweise Pflegekräfte aus anderen EU-Staaten.

Die zweite Katastrophe unserer gesundheitlichen Versorgung wartet zuhause.

2019 lag die Zahl der Pflegebedürftigen in Hamburg bei knapp 80.000 Menschen. Diesen stehen 600 stationäre und ambulante Pflegeeinrichtungen gegenüber, sowie Angehörige, die die Pflege zuhause unterstützen. Vereinsamung, wundgelegene Stellen, Stürze und mangelnde Hygiene beschreiben den unwürdigen Zustand der Pflegebedürftigen, der sich aus dieser Versorgungslage ergibt. Denn es gibt inzwischen schlicht zu wenig Pfleger:innen für zu viele Pflegebedürftige. Die Hamburger:innen werden unaufhörlich älter und dadurch braucht es eine flächendeckende Aufrüstung in der Versorgung unserer Bürger:innen, um dem gewachsen zu sein. Ein Fokus muss auch auf den Arbeitsmaterialien liegen, bei denen Quantität und Qualität unter der Sparpolitik der gewinnorientierten Pflegekonzerne leiden. Um die überlasteten Pflegekräfte zu unterstützen, können sog. Community Health Nurses die Koordination und Organisation der sozialen und medizinischen Leistungen übernehmen. Dies kann auch dem Umstand in Zukunft vorbeugen, dass statt fehlender Pflegekräfte die Angehörigen für die Betreuung herangezogen werden.

Um der Pflegekrise noch etwas entgegensetzen zu können, sollen finanzielle Mittel nicht für teure Zeitarbeitskräfte aufgewendet werden, stattdessen ist eine Erhöhung des allgemeinen Lohnniveaus aller Pflegekräfte unabdingbar. Dafür ist eine Erhöhung des Lohns- zumindest in den Entgeltgruppen P5-P13- erforderlich. Die Eingruppierung soll zwei Stufen höher als bisher auf der Lohnentgelttabelle (TVÖD-K) erfolgen. Dazu soll die SPD Hamburg die Vereinfachung von Allgemeingültigkeitserklärungen im Bund weiter vorantreiben. Dies kann neue Anreize für Berufseinsteiger:innen schaffen und stellt eine moderne Entlohnung dar, die der Verantwortung und der Gesellschaftsdienlichkeit der Tätigkeit gerecht wird.

All diese Maßnahmen sind notwendig, um den Beruf der Pflegefachkraft zukunftsfähig zu gestalten.

Überweisungs-PDF: