2019/II/Woh/7 Das Hamburg der 2020er gestalten

Status:
Erledigt

Unsere Vision für das Hamburg der 2020er Jahre ist eine Stadt, die für die Menschen gebaut ist und die Mobilität für alle sicherstellt, eine Stadt, die für eine hohe Aufenthaltsqualität im Freien sorgt und von einem florierenden innerstädtischen Einzelhandel geprägt ist. Eine Stadt, die nach diesen Prämissen geplant, gebaut und gelebt wird, verstehen wir als sozial gerecht, nachhaltig und fortschrittsorientiert, also zutiefst sozialdemokratisch.

 

Hierfür wollen wir an die städtebaulichen Erfolgsprojekte der Vergangenheit und Gegenwart, wie die HafenCity, den Wilhelmsburger Inselpark oder den Harburger Binnenhafen anknüpfen und diese für die Gesamtstadt weiterdenken. In der Vergangenheit standen vor allem städtebauliche Projekte im Vordergrund, ohne diese immer mit einem umfassenden modernen Mobilitätskonzept für das 21. Jahrhundert zu flankieren, das auf einer gleichberechtigten Verkehrspolitik zwischen den verschiedenen Verkehrsträgern beruht. Im Hamburg der 2020er Jahre werden wir uns vom Leitbild der funktionalen Stadt, welches den motorisierten Individualverkehr in den Vordergrund stellt, abwenden und dem Leitbild der lebendigen Stadt, welches das öffentliche Leben vom Kind bis zum Greis in den Mittelpunkt aller Planungen stellt, zuwenden. Damit schaffen wir Raum für neue Konzepte der Stadtentwicklung und für neue Entwürfe für öffentliche Räumen wie auch für die Entwicklung neuer Mobilitätskonzepte

 

Der öffentliche Raum soll bewusst als lebenswerter Raum gestaltet werden und klimafreundlichere Verkehrsträger sollen die zentrale Rolle im Verkehrssystem zugewiesen werden. Insbesondere ein guter und bezahlbarer ÖPNV ist für uns als SPD zentral, um günstige und klimafreundliche Mobilität durch das ganze Stadtgebiet zu ermöglichen. Freiwerdende  Verkehrsflächen werden verstärkt zur Gewinnung von Wohnraum, Grünflächen und Aufenthaltsräumen genutzt.

 

Mit diesem neuen Ansatz der Stadtplanung steigern wir die städtische Lebensqualität, erhöhen die Mobilität aller, leisten einen Beitrag zum Klimaschutz und fördern die wirtschaftliche Entwicklung Hamburgs – im Zentrum und am Stadtrand.

 

Um diese Ziele zu erreichen, fordern wir ein Umdenken, wie wir Stadtzentren verstehen und denken, welche Rolle die Magistralen unserer Stadt spielen sollen und wie künftig welche Mobilitätsformen sichergestellt werden können.

 

 

Innenstadt und Stadtzentren – Orte zum Leben

 

Die Innenstadt und die bezirklichen Zentren sind der Puls unserer Stadt. Sie sind Begegnungsräume für Menschen und verkörpern das urbane Lebensgefühl als Orte, an denen wir leben, lieben, arbeiten, uns verwirklichen oder auch einfach nur die Seele baumeln lassen. Wir wollen, dass die Zentren Hamburgs stärker an den Bedürfnissen der Hamburger*innen ausgerichtet sind, weshalb wir uns für eine Verkehrsberuhigung der Zentren und für eine Aufwertung des umzugestaltenden öffentlichen Raums einsetzen. Für dieses Ziel sind verschiedene Maßnahmen wie Begrünungen, eine Förderung der Außengastronomie, eine noch ambitioniertere Parkraumbewirtschaftung im öffentlichen Raum sowie eine smarte und konsequente Überwachung des ruhenden Verkehrs angemessen und ortsgerecht zu kombinieren.

 

Wir wollen die bestehenden Pilotprojekte am Rathausmarkt und in Ottensen als Vorbild nehmen, um zusammen mit Anwohner*innen und Gewerbetreibenden Lösungen zu finden, wie wir die Innenstadt und die bezirklichen Zentren zu Aufenthalts- und Einkaufsorten für Familien, Senioren und Anwohner*innen weiterentwickeln.

Parken in Hamburg muss grundsätzlich einen Preis haben. Wir setzen hierbei auf ein abgestuftes System: Wer als AnwohnerIn innerhalb des Ring 3 öffentlichen Raum in Anspruch nehmen will, um sein Auto abzustellen, muss eine Jahresgebühr zahlen. Für Tagestouristen werden Tagestickets angeboten. Soweit verwaltungstechnisch effizient realisierbar, ist bei den Gebühren je nach Schadstoffausstoß des Fahrzeugs eine höhere bzw. geringere Gebühr zu erheben.

 

Bereiche, in denen eine Umgestaltung vorstellbar ist, sind für uns im Gebiet der Innenstadt u.a. die Bereiche Jungfernstieg, Mönckebergstraße, Ballindamm und Lange Reihe sowie im als bezirkliche Zentren die Bereiche am Wandsbeker Markt, am Bergedorfer Weidenbaumsweg, um das Harburger Rathaus, um die Eimsbütteler Osterstraße und in den weiteren urbanen Zentren von z.B. Winterhude, Eppendorf und Barmbek.

 

 

Magistralen – Mehr als nur Häuserschluchten

 

Die Magistralen sind heute die Hauptverbindungsachsen zwischen der Innenstadt und den bezirklichen Zentren. Gerade durch die sehr gute bestehende Verkehrsanbindung eignen sich diese zur weiteren Nachverdichtung und die  Aufstockung für Wohnungsbau. Daher begrüßen wir das Magistralenkonzept der Stadt Hamburg zur Schaffung neuen Wohnraums. Bei der Nachverdichtung der Magistralen muss auch der ÖPNV gestärkt werden, um den neuen Bewohnern von Anfang an ein attraktives Angebot zu bieten und sie so zum Umsteigen zu bewegen. Dazu gehört eine Bevorzugung des ÖPNV auf der Straße, z.B. durch eigene Busspuren, die baulich von der Straße getrennt werden können.

 

Allgemein setzen wir uns für die Reduktion des Verkehrsflusses durch die Magistralen ein, der mit einer Neuaufteilung des Straßenraumes einhergeht. Der durch den Umbau der Magistralen freiwerdende Raum soll den Bürger*innen als öffentlicher Raum mit hoher Lebensqualität zurückgegeben und dabei so gestaltet werden, dass der verbleibende Verkehrsraum allen Verkehrsträgern gleichberechtigt zur Verfügung steht. Neben Spuren, die für den motorisierten Individualverkehr zur Verfügung stehen, braucht es exklusive Spuren für den ÖPNV sowie Versorgungs- und Einsatzfahrzeuge und auch baulich getrennte Spuren für einen sicheren Radverkehr (Protected Bike Lanes). Ein Vorbild für die Verwandlung einer Durchgangsstraße zu einem Begegnungsraum ist für uns die die Eimsbüttler Osterstraße.

 

Magistralen, in denen eine Umgestaltung vorstellbar ist, sind für uns die Ost-West-Straße, die Max-Brauer-Allee, die Grindelallee, die Bergedorfer Straße oder die Wandsbeker Chaussee und des Harburger Rings, die Moorstraße, den Schloßmühlendamm.

 

 

ÖPNV der Zukunft – Neue Verbindungen für neue Möglichkeiten

 

Eine lebenswerte Stadt, die Mobilität für alle sicherstellt, kann dies nur mit einem starken Öffentlichen Personennahverkehr leisten. Um die Attraktivität des Umstieges auf den ÖPNV zu erhöhen, fordern wir zum einen den Ausbau von Bahnhöfen und großen Busbahnhöfen zu sozialen Mobility-Hubs, die verschiedene Funktionen für die Nutzer*innen vereinen. Wir wollen die leistungsfähigen Umstiegsbahnhöfe von Durchgangsorten zu sozialen Drehscheiben weiterentwickeln, in denen Menschen nicht nur zwischen verschiedenen Verkehrsträgern umsteigen (Bus, Bahn, Auto, Fahrrad), sondern auch ihre Wocheneinkäufe erledigen, ihre Kinder zur KiTa bringen, in einem Café durchschnaufen können oder ein Buch in der Bücherhalle ausleihen.

 

Daneben brauchen wir einen weitergehenden Ausbau des Bus- und insbesondere Bahnnetzes. Neben den aktuellen Neubauplänen für S- und U-Bahn, müssen die Tangentialverbindungen zwischen den bezirklichen Zentren gestärkt werden. Dabei sollen verstärkt nach Möglichkeit emissionsfreie ÖPNV-Angebote wie etwa der E30 zwischen Harburg und Bergedorf geschaffen werden, bis auch diese Querverbindungen durch leistungsfähigere Transportmittel, wie beispielsweise eine Ringbahn, erschlossen werden.

 

Wir unterstützen deshalb die Forderung der SPD-Bundestagsfraktion, längerfristig ein 365€-Ticket für alle BenutzerInnen des ÖPNV zu schaffen. Für ein solches Ticket ist eine finanzielle Unterstützung durch den Bund anzustreben. Kurzfristig sollte das Ticket für Gruppen mit niedriger finanzieller Kapazität eingeführt werden, wie Auszubildende, Studierende, RentnerInnen und SozialhilfeempfängerInnen. Wir begrüßen und unterstützen die Forderung des Landesparteitages und Peter Tschentschers für ein kostenloses Ticket für SchülerInnen und befürworten auch die Forderung nach einem 30€/Monat-Ticket für Azubis.

 

Umsteigezentren, in denen eine Umgestaltung vorstellbar ist, sind für uns der Hauptbahnhof und die Bahnhöfe Berliner Tor, Barmbek oder der neue Fernbahnhof Diebsteich und Querverbindungen zwischen etwa Niendorf und Eidelstedt.

Begründung:

Die Entwicklung einer Vision des Hamburgs der 2020er bedeutet eine Abkehr vom Leitbild der funktionalen Stadt, in der der motorisierte Individualverkehr im Vordergrund steht und in der Schlafen, Arbeiten und Gewerbe voneinander getrennt sind. Die Verkehrspolitik spielt dabei eine Schlüsselrolle, weshalb wir neben neuen Konzepten für die Stadtentwicklung und die öffentlichen Räume auch neue Mobilitätskonzepte benötigen. Bei der Erschließung neuer Stadtteile wie Oberbillwerder oder der Science City Bahrenfeld werden schon jetzt keine reinen Wohnquartiere mehr geplant, sondern Gewerbe und Naherholung mit in den Quartieren verankert. Dieses Konzept der lebendigen Quartiere wollen wir auf den Bestand übertragen.

 

Durch die zunehmende Abnahme des motorisierten Individualverkehres zwischen verschiedenen Stadtfunktionen, kann der frei werdende Straßen- und Parkraum vor allem im Innenbereich für neue Nutzungen erschlossen werden. Durch diese wird die Lebensqualität einzelner Quartiere und an den Magistralen gesteigert werden. Eine gesteigerte Aufenthaltsqualität der Quartiere wirkt sich nicht nur auf die Lebensqualität der Bewohner aus, sondern bedeutet auch eine Stärkung des Einzelhandels in den betroffenen Zonen. Mit Maßnahmen der Verkehrsberuhigung und Aufwertung in der Innenstadt und den weiteren Zentren werden die Einkaufsstraßen zu einem Aufenthaltsort aufgewertet und es entsteht ein Standortvorteil des Einzelhandels gegenüber dem Online-Handel.

 

Heute erleben wir viel zu oft lange Verkehrsstaus, ein von S-Bahn-Ausfällen geprägtes ÖPNV-System und Fahrrad-Routen, die lebensgefährlich erscheinen. In Hamburg gibt es eine viel zu große Zahl an Verkehrstoten unter Radfahrer*innen und Fußgänger*innen zu bedauern, hinzu kommen erhebliche Probleme bei der Luftreinhaltung. Der ruhende Verkehr blockiert einen erheblichen Anteil der Freiflächen und führt zu einer Versiegelung wertvoller Flächen. Das alles resultiert in sozialen Ungerechtigkeiten. 43% der Hamburger*innen besitzen kein Auto und müssen zu oft im Stau im Bus festsitzen.  Menschen, die auf günstigen Wohnraum angewiesen sind, finden diesen oft nur an lauten und luftverschmutzten Straßen. Viele innerstädtische Plätze sind zu Parkplätzen degradiert und gleichen eher Betonwüsten als Orten, an denen Menschen verweilen möchten.

 

Es gibt zahllose Beispiele aus dem In- und Ausland, dass ein ambitionierter Stadtumbau zu einer nachhaltigen, sozial-gerechten und wirtschaftsstarken Stadt führt. Im italienischen Pontevedra führte die Einführung einer autofreien Innenstadt nicht nur zu einer Reduktion der Emissionen um 70%, sondern auch zu einem boomenden Einzelhandel im Innenstadtbereich. Die Verzahnung von Rad- und ÖPNV-Verkehr in Freiburg-Vauban zeigt, dass eine intelligente Verkehrspolitik nicht nur ökologisch, sondern auch sozial gestaltet werden kann. Und auch die Städte Amsterdam und Kopenhagen zeigen, dass mit einer langfristigen Stadtentwicklung viel mehr Verkehr auf das Rad umgelegt und gleichzeitig die Lebensqualität gesteigert wird.

 

An diesen Beispielen wird deutlich, dass unsere Vision des Hamburgs der 2020er die Belange des Sozialen, Ökologischen und Ökonomischen gleichberechtigt miteinander vereint. Während es ein Wesenskern sozialdemokratischer Politik ist, einen Ausgleich zwischen der wirtschaftlichen Entwicklung und den sozialen Erfordernissen zu erzielen, besteht aber bei der Umsetzung der ökologischen Dimension Handlungsbedarf. Deshalb muss hier unsere Stadtentwicklungspolitik durch Zielsetzungen ergänzt werden, die dazu führen, dass unnötige Wege vermieden, die CO2- und Stickoxid-Emissionen auf Netto-Null gesenkt und die Umweltkosten sozial gerecht verteilt werden.

 

Die Umsetzung unserer Vision des Hamburgs der 2020er bedeutet jedoch eine sehr umfangreiche und tiefgreifende Veränderung der Stadt, die nicht ausschließlich vom grünen Tisch aus geplant werden darf. Deshalb muss die Erarbeitung solch eines Leitbildes durch konkrete Pilotprojekte in der Praxis flankiert und begleitet werden. Kern sollen die bereits geplanten Pilotprojekte zur Schaffung autoarmer Straßenzüge am Ottenser Markt in Altona und am Rathausmarkt in Mitte sein. Diese sollen durch weitere Pilotprojekte ergänzt werden, die u.a. dem Ziel folgen den Charakter der Straßenzüge hin zu Begegnungsräumen und Einkaufs- und Flanierstraßen umzuwandeln. Hierfür sind eine Bandbreite an Maßnahmen denkbar, wie die Förderung von Außengastronomie, smarter Überwachung des ruhenden Verkehrs oder bauliche Maßnahmen.

 

Mit Parkraumbewirtschaftung schaffen wir es, Autofahrer entsprechend der durch ihren Verkehrsträger verursachten Kosten an der Finanzierung des Verkehrssystems zu beteiligen und unsere Stadt lebenswerter zu machen.

Es gibt kein Grundrecht auf kostenfreies Parken. Parkplätze verbrauchen öffentlichen städtischen Raum, der allen Bürgern gehört. Die Einrichtung eines Parkplatzes kostet eine Stadt laut Agora Verkehrswende mehrere hundert Euro und der Erhalt pro Jahr im Durchschnitt ca. 360 €, bei Einbeziehung von allgemeinen Verwaltungs- und Kosten für öffentliche Sicherheit sogar 220 €. Ein Parkplatz nimmt im Durschnitt ca. 12 qm ein und verbraucht damit ca. 19-mal so viel Platz wie ein Fahrrad. Die Durchschnittsmiete in Hamburg beträgt derweil pro qm über 12 € kalt. Insgesamt ist ein „kostenfreier“ Parkplatz im Wohngebiet also überhaupt nicht kostenlos, sondern ein min. 300 € / Jahr teures Geschenk aller Bürger Hamburg an die Autofahrer. Hinzu kommen nach die nicht bezifferbaren Kosten durch schädliche Folgen von Abgasen und Unfällen für Klima, Gesundheit und Leben. Das stellt in den meisten Fällen eine Förderung von Reicheren da: fast die Hälfte der Haushalte mit niedrigem Einkommen in Deutschland lebt ohne Auto, bei hohem Einkommen liegt dieser Anteil nur bei 8 %.

International wird Parken schon längst entsprechend seiner wirklichen Kosten behandelt und ist kostenpflichtig: In Wien kosten die „Parkpickerl“ für Anwohner der inneren Bezirke mittlerweile 120 Euro pro Jahr, zuzüglich Bearbeitungsgebühren von 50 Euro. Anwohnerparken kostet in Stockholm 827 Euro, in Kopenhagen 535 Euro, in Zürich 300 Franken. In japanischen Städten ist Parken am Straßenrand grundsätzlich verboten.

 

 

Laut der neuen Studie der FES für Hamburg sehen 45 Prozent der Befragten und damit die höchste Zahl der Befragten im Bereich ÖPNV niedrigere Ticketpreise als wichtigste notwendige Verbesserung. Die Bundestagsfraktion unterstützt die Forderung nach dem 365 € Ticket und könnte auch zur Unterstützung der Finanzierung in die Pflicht genommen werden. Als SPD sind wir mehr als andere Parteien darauf angewiesen, alternative Verkehrsträger nicht nur für Menschen, die im innenstadtnahen Bereich wohnen, sondern auch aus Kostengründen weiter außerhalb wohnen, anzubieten. Das kann nur der ÖPNV leisten. Mobilität ermöglicht gesellschaftliche Teilhabe und muss daher für alle gut finanzierbar sein. Nicht zuletzt schaffen wir so einen Anreiz, klimafreundlich mobil zu sein.