2019/II/Innen/2 Innenpolitik wirklich neu ausrichten!

Status:
Zurückgezogen

I. Grundsätzliches

Eine sozialdemokratische Innenpolitik zeichnet sich durch das Ziel aus, eine gewaltfreie Gesellschaft anzustreben. Um dieses Ziel zu erreichen ist ein staatliches Gewaltmonopol notwendig, das sowohl Sicherheit als auch Freiheit garantiert. Wir lehnen grundsätzlich Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung ab und treten dieser entschieden entgegen.

Um einen gewaltfreien politischen Konsenssicherzustellen, sollten politische Gruppierungen, die diesen Konsens teilen, unterstützt werden. Die Unterstützung kann auch Teil des Ansatzes sein, den Einfluss gewaltorientierter Gruppen mit allen rechtsstaatlichen Mittel weiter zurückzudrängen.

Zwischen staatlichen Institutionen und Teilen der linken Szene existieren Gräben, die eine vertrauensvolle Zusammenarbeit verhindern. Es ist eine Aufgabe der SPD, als linke Volkspartei, und einem gewaltfreien Dialog zwischen den jeweiligen Gruppen aufgeschlossen gegenüber zu stellen.

II.Polizeistrategien verbessern

Die Hamburger Linie ist auf ihre Vereinbarkeit mit einer demonstrationsfreundlichen und deeskalierenden Polizeiarbeit zu prüfen. Es ist wesentlich, dass die Einsatzkräfte über angemessene Handlungsspielräume verfügen, damit diese gleichermaßen Sicherheit und Bürger*innenrechte vor Ort garantierten können.

a) Durchführung von Einsätzen:
Bei Großeinsätzen ist die aktuelle Lage häufig unübersichtlich – für Einsatzkräfte wie für Demonstrierende. Dabei lassen sich viele Konflikte durch Kommunikations- und Mediationsteams lösen, deren Einsatz ein Grundbaustein jeder Einsatzplanung sein muss.
Die Wahl der Kommunikationsmittelmuss immer der Situation angemessen sein, insbesondere vor dem Hintergrund der Wirkung auf Demonstrierende (z.B. sollten Lautsprecherwagen für Durchsagen verwendet werden statt Wasserwerfer).
Deshalb muss in den polizeilichen Einsatzstäben neben polizeifachlichem Wissen auch soziologische und psychologische Expertise berücksichtigt werden.

b) Transparenz und Dokumentation bei Einsätzen:
Der Einsatz von Body-Camsund Videoüberwachung kann bei Einsätzen einen wichtigen Beitrag zur Gewaltprävention und Aufklärung von Straftaten leisten, wenn sie datenschutzrechtlich angemessen angewendet werden. Hierzu muss zeitnah eine rechtliche Grundlage entwickelt werden. Für die Aufklärung von Straftaten sind schriftlichen Dokumentationen von Polizist*innen im Einsatz ein wichtiges Beweismittel. Diese Berichte müssen, wie bereits durch Dienstverordnungen sichergestellt, zeitnah nach Einsatzende erfolgen. Es liegt in der Verantwortung der Vorgesetzten dies sicherzustellen. Wenn dies nicht erfolgt, muss eine Einstandspflicht der Vorgesetzten für diese Dokumentationsobliegenheit muss durchgesetzt werden.

c) Vermittlung der Polizeiarbeit in der Zivilgesellschaft:
Die Vermittlung der Polizeiarbeit in die Zivilgesellschaft spielt eine Schlüsselrolle für eine erfolgreiche Polizeiarbeit. Es ist zu prüfen, wie die Vermittlung durch die Gewinnung von Sicherheitspartner*innen in Form von Vertrauenspersonen (z.B. Teams aus Polizist*innen und Aktivist*innen) verbessert werden kann. Auf Demonstrationen sollte die Polizei mehr als nur eine*n Ansprechpartner*in haben (in der Regel die*der Anmelder*in). Für einen reibungslosen Ablauf ist eine Vielzahl von belastbaren Gesprächskanälen unabdingbar. Ein Ansatz Gesprächskanäle zu gewinnen, kann die offenen Szenearbeit, nach dem Vorbild von Fanprojekte in der Fußball-Ultraszene, sein. Es ist zu prüfen, inwieweit Erkenntnisse und Ansätze übertragbar sind. Im medialen Zeitalter ist eine umfassende und zeitnahe Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit unabdingbar. Ein Vorbild für die staatliche Kommunikation, können die Twitter-Aktivität der Polizei Hamburg sein.

III.Versammlungsrecht Hamburg

Ein Hamburgisches Versammlungsrecht bietet eine Chance mehr Raum für Deeskalation zu schaffen. Als Grundlage dafür sollte der Musterentwurf für ein Landesversammlungsgesetz von u.a. Prof. Dr. Wolfgang Hoffmann-Riem (Justizsenator a.D.) und die bisherige Arbeit des AK Versammlungsrecht der SPD dienen.

In das Gesetzgebungsverfahren sollen folgende Punkte einfließen:

a) Der Vorschlag Boris Pistorius‘ (Innenminister Niedersachsen) zur Umwandlung des Vermummungsverbots von einer Straftat zu einer Ordnungswidrigkeit sollte unterstützt werden: So sind diese in Niedersachsen und Schleswig-Holstein Ordnungswidrigkeiten, die im Gegensatz zu Straftaten nicht zwingend geahndet werden müssen. Das gibt der Polizei mehr Handlungsspielraum, sodass diese ggf. Eskalationen vermeiden kann. Bagatellisiert wird das Vermummen dadurch nicht: je nach Umstand soll in Hamburg ein Bußgeld von bis zu 6.000 Euro gesetzlich festgelegt werden.

b) Im Zuge der Regulierung muss die Übertragung der Zuständigkeit für Versammlungen von der Polizei auf die Innen- oder Justizbehörde geprüft werden. Durch die Trennung von Anmeldung und Sicherstellung des Versammlungsrechts, wie in zahlreichen Bundesländern üblich, ist eine bessere Kontrolle im Sinne von Checks and Balance zwischen den beiden Behörden möglich.

c) Die Versammlungsbehörde hat eine neutrale, staatliche Demonstrationsbeobachtung und die Dokumentation von Unregelmäßigkeiten sicherzustellen.

d) In einer globalisierten Welt sind Protest-CampsTeil einer globalisierten Protestkultur. Es müssen differenzierte Strategien entwickelt werden, um mit dieser neuen Realität angemessen umzugehen. Ein einfaches Verbot greift zu kurz.

IV.Bedingungen für Polizist*innen verbessern

Kern einer guten Polizeiarbeit sind eine gute Ausbildung und gute Arbeitsbedingungen der Beamt*innen.

a) Wir fordern eine Einheitsausbildung aller Sparten (z.B. Kripo, Wasserschutzpolizei). Im Anschluss führen alle ein Jahr zusammen Straßendienst. Erst danach erfolgt eine Spartenspezialisierung. Dabei soll es für Bereiche in denen die vorgenannten Punkte nicht sinnvoll umsetzbar sind (z.B. CyberKiminalität) Ausnahmeregelungen geben.

b) Bei Großeinsätzen hat die Innenbehörde Sorge zu tragen, dass die Unterbringungsmöglichkeiten und Einsatzbedingungen der Polizist*innendeutlich verbessert werden. Hunderttausende geleistete Überstunden und Einsätze, die unter akutem Schlafmangel geleistet werden, tragen nicht zur Deeskalation bei.

c) Es muss sichergestellt sein, dass im Zuge einer Verkürzung für vorqualifizierte Bewerber*innen(z.B. Soldat*innen) keine Kürzungen in den allgemeinbildenden Fächern (insbesondere Deutsch, Englisch und Politik/Verfassungsrecht), den Rechtsfächern und Lehreinheiten zur Kommunikation und Deeskalation erfolgt. Ein gleiches Niveau zur Regelausbildungszeit muss gewährleistet sein.

d) Um unseren hohen Anforderungen an das Berufsbild der Polizist*innen gerecht zu werden, fordern wir einen Berufseinstieg in Laufbahnabschnitt II (EinstiegsamtA9). Es wird sichergestellt, dass auch Menschen ohne Hochschulzugangsberechtigung, durch eine Nachqualifizierung an der Polizeiakademie, eine Ausbildung bei der Polizei absolvieren können.

e) Bei Großeinsätzen ist sicherzustellen, dass möglichst erfahrene Polizist*inneneingesetzt werden und Einsatzgruppen angemessen aus erfahrenen und unerfahrenen Polizist*innen gemischt sind.

f) Polizeibeamt*innen erhalten Zulagen, die ihren Einsatz honorieren. Das Zulagensystemmuss so angepasst werden, dass gefährliche Einsätze besonders honoriert werden.

V.Schaffung eines/einer „Bürger- und Polizeibeauftragten“

Für eine erfolgreiche Polizeiarbeit im Sinne der Bürger*innen sollte geprüft werden, eine*n „Bürger-und Polizeibeauftragten“ nach dem Vorbild von u.a. Rheinland-Pfalz, Berlin, Schleswig-Holstein, NRW oder Hessen einzuführen. Diese*r soll der Hamburgischen Bürgerschaft zugeordnet sein und zum einen – ähnlich der Aufgabenbeschreibung des bzw. der Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages – eine unabhängige Anlaufstelle für Polizist*innen sein, die Mängel etwa in der personellen und materiellen Ausstattung oder in Ausbildung und täglichem Dienst, aber auch Fehler in Ermittlungsverfahren, rechtswidrige Dienstanweisungen etc. anzeigen wollen. Zum anderen sollen die Polizeibeauftragten auch Anlaufstelle für Bürger*innen sein, um polizeiliche Ermittlungsfehler bis hin zu Fällen polizeilichen Fehlverhaltens im Einsatz vorzubringen.

Begründung:

Erfolgt mündlich zur intensiven Diskussion.