2023/II/Dig/2 Hamburg: Smart City

Der Landesparteitag der SPD Hamburg möge beschließen:

  1. Hamburg soll auch in Zukunft deutschlandweiter Spitzenreiter im Smart City Index bleiben und seine Position weiter verbessern. Zu diesem Zweck werden die sozialdemokratischen Vertreter und Vertreterinnen im Hamburger Senat und die SPD-Bürgerschaftsfraktion aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass

a) die Online-Terminvergabe im Standesamt und im Gewerbeamt eingeführt wird

b) die Registermodernisierung nach dem „once-only“-Prinzip weiter vorangetrieben wird

c) überprüft wird, ob 60 Gateways in der Stadt ausreichen, um flächendeckend und in Innenräumen einen Anschluss an das Long Range Wide Area Network (LoRaWAN) zu gewährleisten

d) die Förderung von FabLabs und Coworking-Spaces verstärkt wird.

2. Hamburg setzt sich im Bund dafür ein, dass das OZG 2.0 und die Registermodernisierung stärker auf die Digitalisierung des Backends in der Verwaltung setzen. Zu diesem Zweck sollen:

a) die Möglichkeit der Schaffung einer zentralen Stelle, die Basisdienste und Schnittstellen für Onlinedienste zur Verfügung stellt, überprüft werden

b) einheitliche, bundesweite und verbindliche Standards und Schnittstellen eingeführt werden

c) ein einheitliches Monitoring der Umsetzung von Digitalisierungsmaßnahmen in der öffentlichen Verwaltung eingeführt werden.

Begründung:

Gemäß dem Smart City Index 2022 des Branchenverbandes der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche, Bitkom e. V., hält Hamburg zwar nach wie vor die führende Position, jedoch ist im Ranking 2022 eine Stagnation zu verzeichnen und München holt Hamburg mittlerweile fast ein. Dies ist auf stagnierende Ergebnisse in den Bereichen Verwaltung und IT- und Kommunikation zurückzuführen, in denen München deutlich besser abschneidet. Auch im Bereich Energie und Umwelt ist Hamburg nicht führend. Allerdings hat die Stadt die Spitzenposition in den Bereichen Mobilität und Gesellschaft inne.

Es werden in der Bewertung vor allem folgende Aspekte bemängelt: die online Terminvergabe und online Dienstleistungen in der Verwaltung sowie das Long Range Wide Area Network (LoRaWAN) in IT- und Kommunikation. Unter online Dienstleistungen versteht man verwaltungstechnische Services wie die Ummeldung innerhalb der Stadt, Melderegisterauskunft, Anwohnerparkausweis und ähnliches. Das LoRaWAN ist ein Übertragungsstandard für schmalbändige Funknetze, der eine energiearme Datenübertragung bei großer Reichweite für smarte Geräte wie Sensoren ermöglicht. Dies ist ein essenzieller Baustein für eine nachhaltige und umweltfreundliche Stadt. Für die notwendige Infrastruktur, die sogenannten „Gateways“ oder Funkmodule, sind städtische Tochterunternehmen wie Stromnetz Hamburg zuständig. Es wird geschätzt, dass für eine flächendeckende Infrastruktur in Hamburg 50-100 Gateways erforderlich sind, während das aktuelle Pilotprojekt von 2019 nur 60 Gateways vorsieht. Mittlerweile sind jedoch über 15.000 Geräte an das LoRaWAN angeschlossen, und es gibt Zweifel, ob 60 Gateways ausreichen, um eine zuverlässige Übertragung auch in Innenbereichen zu gewährleisten.

Es gibt weitere Entwicklungspotenziale in Hamburg in den Bereichen Energiesparlösungen, emissionsarme Busse sowie FabLabs und Coworking. Zudem bieten FabLabs, in denen mit Hilfe von 3D-Druckern oder Lasercuttern individualisierte Einzelstücke oder Ersatzteile hergestellt werden können, und Coworking-Spaces, in denen unterschiedliche Unternehmen und Kreativschaffende gemeinsam arbeiten können, Chancen für innovative Ideen und Zusammenarbeit. Diese Potenziale können dazu beitragen, Hamburg weiterhin als Vorreiter in den Bereichen Nachhaltigkeit, Innovation und Digitalisierung zu positionieren.

Das Onlinezugangsgesetz (OZG), das im Jahr 2017 verabschiedet wurde, verpflichtet den Bund, die Länder und Kommunen dazu, ihre Verwaltungsleistungen bis Ende 2022 auch digital über Verwaltungsportale anzubieten. Dabei sollten die Verwaltungsportale miteinander zu einem Portalverbund verknüpft werden. Die Leistungen der Länder und Kommunen sollten im Rahmen des „Digitalisierungsprogramms Föderal“ gemeinsam von Bund, Ländern und Kommunen erarbeitet werden, wobei einzelne Länder die Federführung für bestimmte Themenfelder übernehmen sollten. Hamburg hat dabei die Federführung für das Themenfeld Unternehmensführung und -entwicklung.

Die gesetzliche Frist ist abgelaufen und die Ergebnisse sind ernüchternd. Schon vor einiger Zeit haben Bund und Länder trotz gesetzlicher Vorgaben die Frist aufgegeben und beschlossen, zumindest einige Leistungen pünktlich umzusetzen. Stattdessen wurden 35 sogenannte „Einer-für-alle“-Projekte priorisiert, also Onlinedienste für Verwaltungsleistungen, die von einem Bundesland entwickelt und betrieben werden und von anderen genutzt werden können. Doch auch dieses Ziel wurde weit verfehlt: Lediglich drei Leistungen sind flächendeckend digital verfügbar, nämlich die Corona-Überbrückungshilfen, die Online-Anzeige und das BAföG. Dabei wurde gerade erst bekannt, dass das BAföG zwar digital beantragt werden kann, aber die zuständigen Ämter die umfangreichen Anträge bislang analog bearbeiten, was zu monatelangen Wartezeiten führt.

Kritiker*innen bemängeln, dass der Zeitdruck durch die gesetzlichen Fristen zu schnellen Lösungen geführt hat, die lediglich eine „Schein-Digitalisierung“ bewirken. Oftmals wurden lediglich Formulare online gestellt, während die Bearbeitung weiterhin analog erfolgt. Die Gesetzgebung hat sich vor allem auf die Digitalisierung des Frontends, also der Kundenseite, konzentriert, während das Backend, also die Verwaltungsseite, vernachlässigt wurde. Das BAföG-Desaster wird als ein Beispiel für die mangelnde Umsetzungstiefe der Digitalisierung in der Verwaltung genannt.

Expert*innen haben mehrfach darauf hingewiesen, dass ein möglicher Fehler bei der Umsetzung der Digitalisierung der Verwaltung in Deutschland im falsch verstandenen Dezentralismus liegt. Ein möglicher Lösungsansatz, um die Digitalisierung voranzutreiben, könnte darin bestehen, eine zentrale Einheit zu etablieren, die als Plattformkern fungiert und Basisdienste sowie Schnittstellen für Onlinedienste bereitstellt. Dieser Plattformkern könnte als Fundament für die Infrastruktur von Online-Diensten dienen, die dann von den jeweils zuständigen Behörden dezentral gestaltet werden können. Dabei wäre das Backend, also die technische Infrastruktur, zentral und stabil gestaltet, um

ein effizientes Funktionieren zu gewährleisten, während das Frontend, also die fachliche Ausgestaltung, dezentral und dynamisch sein kann, um den individuellen Bedürfnissen der verschiedenen Behörden gerecht zu werden. Ein Beispiel für ein solches Modell existiert in Großbritannien und hat sich dort als erfolgreich erwiesen. Dieser Ansatz würde es ermöglichen, technische Infrastrukturen für alle zur Verfügung zu stellen, während die fachliche Ausgestaltung bei den zuständigen Stellen verbleibt.

Beschluss: Annahme in geänderter Fassung
Text des Beschlusses:

Der Landesparteitag der SPD Hamburg möge beschließen:

1. Hamburg soll wieder Spitzenreiter im Smart City Index werden. Zu diesem Zweck werden die sozialdemokratischen Vertreter und Vertreterinnen im Hamburger Senat und die SPD-Bürgerschaftsfraktion aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass

a) die Online-Terminvergabe im Standesamt und im Gewerbeamt eingeführt wird

b) die Registermodernisierung nach dem „once-only“-Prinzip weiter vorangetrieben wird

c) überprüft wird, ob die Zahl der Gateways in der Stadt ausreicht, um flächendeckend und in Innenräumen einen Anschluss an das Long Range Wide Area Network (LoRaWAN) zu gewährleisten

d) die Förderung von FabLabs und Coworking-Spaces verstärkt wird.

2. Hamburg setzt sich im Bund dafür ein, dass die Neufassung des OZGs und die Registermodernisierung stärker auf die Digitalisierung des Backends in der Verwaltung setzen. Zu diesem Zweck sollen:

a) die Möglichkeit der Schaffung einer zentralen Stelle, die Basisdienste und Schnittstellen für Onlinedienste zur Verfügung stellt, überprüft werden

b) einheitliche, bundesweite und verbindliche Standards und Schnittstellen eingeführt werden

c) ein einheitliches Monitoring der Umsetzung von Digitalisierungsmaßnahmen in der öffentlichen Verwaltung eingeführt werden.

Beschluss-PDF:
Überweisungs-PDF: