2024/II/Innen/3 Gegen staatliche Repression linker Bewegungen!

Status:
Nicht Abgestimmt

Der Landesparteitag der SPD Hamburg möge beschließen:
Die Jusos Hamburg stellen sich klar gegen die staatliche Repression linker Bewegungen.
Dafür soll(en):
1. §129a StGB soll tatbestandlich deutlich reduziert werden. Insbesondere soll aktivistisches Verhalten aus dem Anwendungsbereich der Norm genommen werden.
2. §§129, 129a StGB soll durch die Streichung zahlreichen Katalogstraftaten nach Abs. 2 enger gefasst werden.

Begründung:

Antifaschismus hat im jungsozialistischen und bestenfalls auch im allgemein demokratischen Wertekanon einen zentralen Stellenwert und ist für die Wahrung bzw. den Ausbau demokratischer Strukturen unerlässlich. Der Weg zu einer Gesellschaft der Freien und Gleichen erfordert konsequente antifaschistische Aktion gegen rechte Umtriebe und autoritäre Phänomene im gesellschaftlichen Diskurs, politischen Betrieb und nicht zuletzt im Staatsapparat. Zivilgesellschaftlicher Protest in seinen vielfältigen Erscheinungsformen bildet dabei einen essenziellen Grundpfeiler und ist für eine gesunde und funktionale Demokratie unerlässlich.
Denn während auch unsere selbsternannte Fortschrittskoalition auf Bundesebene tatsächliche existenzsichernde Fortschritte im Kampf gegen die Klimakrise versäumt und sich schwer tut, dem nach rechts abkippenden politischen Klima unserer Gesellschaft etwas entgegenzusetzen, formieren sich konservative und rechtsextreme Kräfte zu einer regressiven Einheit in politischen Debatten, die nicht selten zu einem polemischen Kulturkampf degenerieren. Spitzenwerte der AfD in Wahlumfragen, Konservative, die sich in neofaschistischer Rhetorik üben, fortschreitend rechtsextreme Mehrheitsverhältnisse in Teilen der Bundesrepublik und nicht zuletzt Verunglimpfungen legitimen zivilgesellschaftlichen Protests gegen Lethargie im politischen Output der Bundesregierung als „Ökoterrorismus“ sind handfeste Konsequenzen des nicht mehr zu leugnenden Rechtsrucks in unserem Land. Diese Auflistung von Phänomenen des rechten Auftriebs ließe sich noch lange fortführen und verdeutlicht nur, dass zivilgesellschaftliches Engagement, kreativer demokratischer Protest und auch gewaltloser ziviler Ungehorsam so unverzichtbar und zentral für die Verteidigung demokratischer Grundwerte sind wie lange nicht mehr.
Zwar sieht immerhin auch die Bundesinnenministerin eigenen Aussagen zufolge die größte Gefahr für die Demokratie von rechts kommend, doch dem zuwider scheinen weite Teile des ihr untergeordneten staatlichen Sicherheitsapparats weiter daran festzuhalten, den Feind links zu verorten. So dreht sich das staatliche Repressionskarussell weiter und führt dazu, dass zuletzt gewaltfrei protestierende Klimaaktivist*innen Opfer unverhältnismäßiger polizeilicher Überwachungs- und Durchsuchungspraktiken, wie sie eigentlich im Zuge der Terrorismusbekämpfung einzusetzen sind, wurden und Antifaschist*innen in Stuttgart oder Leipzig in fast schon gewohnter Manier staatlicher Repression ausgesetzt waren und sind, die mitunter in langjährigen Freiheitsstrafen münden. Solange vor allem linker Protest weiterhin zur Zielscheibe staatlicher Sicherheitsbehörden wird und polizeiliche Ressourcen auf sich zieht, drohen die angekündigten Bemühungen des Bundesinnenministeriums, konsequent gegen rechte Umtriebe als größte Bedrohung demokratischer Grundwerte vorzugehen, zu leeren Worthülsen zu verkommen.
§129 StGB als Einfallstor in demokratische Grundrechte
Eine tragende Rolle für die Repressalien gegenüber linkem Protest und Aktivismus spielt der Paragraf 129 im Strafgesetzbuch, der die „Bildung krimineller Vereinigungen“ unter Strafe stellt. Der Tatbestand jenes Paragrafen geht auf das Reichsstrafgesetzbuch von 1871 zurück, zielte ursprünglich auf die Verfolgung „staatsfeindlicher Verbindungen“ ab und wurde in seiner ersten Fassung während des Kaiserreiches vor allem zur Repression gegenüber Arbeiter*innenbünden und Sozialdemokrat*innen genutzt. Doch auch in der Geschichte der Bundesrepublik fand und findet der §129 StGB vielfache Anwendung und so wurde seit dem Bestehen des bundesdeutschen Rechtssystems von der Hausbesetzer*innenszene der 1980er Jahre bis hin zu Klimaaktivist*innen der Letzten Generation kaum ein oppositionelles Politikfeld von 129er-Ermittlungen verschont.
In juristischen Fachkreisen wird §129 StGB auch als „Gummiparagraf“ bezeichnet und gilt aufgrund seiner vagen Definition der Straftatbestände und dem damit einhergehenden flexiblen Interpretationsspielraum als umstritten.
Einen aus rechtsstaatlicher Perspektive fragwürdig großen Raum für juristische Interpretationen bietet der Zusatzparagraf 129a StGB, der die „Bildung terroristischer Vereinigungen“ gesondert unter Strafe stellt und angesichts seiner Verabschiedung im Schnelldurchlauf 1976 im Kontext des Stammheim-Prozesses gegen Mitglieder der ersten Generation der RAF als „Lex RAF“ bezeichnet wird. Der §129a zur Bestrafung der „Bildung terroristischer Vereinigungen“ räumt dem Polizeiapparat im Namen der Terrorismusbekämpfung weitreichende Befugnisse ein, die mitunter nachrichten- und geheimdienstliche Anwendungen beinhalten und einer breit auslegbaren Rechtssprechung unterliegen. So fällt nicht nur die aktive Mitgliedschaft in einer „terroristischen Vereinigung“ sondern auch die nicht weiter definierte Unterstützung einer solchen unter den Straftatbestand und legalisiert Ermittlungstaktiken der Polizei wie Großrazzien mit schweren Waffen oder die Langzeitüberwachung von E-Mailverkehr und Telekommunikation, wie sie sonst nur dem Bundesnachrichtendienst obliegen.
Verfassungsrechtlich besonders kritisch ist die im §129 und §129a implizierte Verlegung der Strafbarkeit weit vor eine reelle Vorbereitung konkret strafbarer Handlungen. Damit werden mitunter alltägliche Handlungen im politischen Kontext, wie beispielsweise Gruppentreffen, kriminalisiert und dem Sicherheitsapparat der Exekutive die Umgehung des Datenschutzes für das Ausforschen bloßer als „organisatorische Aktivitäten“ deklarierter Handlungen ermöglicht. Die gesammelten Daten können in polizeiliche Dokumentationsstrukturen überführt und gespeichert werden, auch wenn sich -wie in der Mehrheit der statistisch erfassten Fälle- der anfängliche Straftatverdacht nicht erhärtet. Die insgesamt geringe Erfolgsquote bei der Anwendung des §129 und insbesondere des §129a für die strafrechtliche Verfolgung tatsächlicher krimineller bzw. terroristischer Vereinigungen, durch die er sich legitimieren soll, legt zumindest nahe, dass die Befugnisse, die den Sicherheitsbehörden eingeräumt werden, eher rechtsstaatliche Grundrechte untergraben, als dass sie sich effektiv für die gesellschaftliche Sicherheit erweisen.so-Landeskonferenz 2023: Wir machen den Unterschied! Der „Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler“ kritisierte daher, dass die entsprechende Gesetzeslage vor allem „der Einschüchterung politischer Initiativen und der Sammlung von Daten“ diene.
Dies soll eigentlich durch den sogenannten Politikvorbehalt in §129 StGB verhindert werden, der politische Bewegungen gesondert behandelt und die Hürden für eine strafrechtliche Verfolgung jener hoch hält. Der §129a StGB setzt den Politikvorbehalt im Namen der Terrorismusbekämpfung durch den Artikel 2 jedoch aus. Somit ermöglicht der §129a StGB potenziell eine Instrumentalisierung der Terrorabwehr zur politischen Repression und gehört daher abgeschafft. Um auch künftig eine funktionale und vor allem rechtsstaatliche Terrorismusbekämpfung zu sichern, erachten wir es als sinnvoll, die gesonderten Kriterien zu Terrorismus in §129a Artikel 1 StGB in eine gesamte Reformation des §129 StGB einfließen zu lassen. So kann eine Rechtslage zur funktionalen Terrorismusbekämpfung geschaffen werden, die jedoch nicht wie bisher für die Repression politischer Bewegungen instrumentalisiert werden kann. Der §129 StGB und insbesondere der §129a ermöglichen durch ihren breiten juristischen Spielraum in ihren derzeitigen Formulierungen jedoch genau das und legalisieren staatliche Repression linker Bewegungen.

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