2022/I/Bil/4 Entwicklung einer ressortübergreifenden Strategie für Alphabetisierung und Grundbildung und Einrichtung einer trägerunabhängigen Koordinierungsstelle für Alphabetisierung und Grundbildung in Hamburg

Status:
Annahme

Der Landesparteitag möge beschließen:

Als eigenständiger Beitrag zur Nationalen Dekade für Alphabetisierung und Grundbildung werden Senat und SPD-Bürgerschaftsfraktion aufgefordert, eine lokale und ressortübergreife Strategie zu diesem gesellschaftlich wichtigen Thema zu entwickeln. Wie im Bund sollten auch in Hamburg wichtige gesellschaftliche Partner:innen wie z. B. die Sozialpartner:innen, die Kirchen, Wohlfahrtsverbände und die Vertretung der Lernenden in ein Bündnis für Alphabetisierung und Grundbildung einbezogen werden.

Des Weiteren sollte eine trägerunabhängige Koordinierungsstelle für Alphabetisierung und Grundbildung in Hamburg eingerichtet werden. Sie wird als zentrale Anlaufstelle für alle benötigt, die sich zu Grundbildungsthemen informieren oder beraten lassen möchten. Gleichzeitig bildet sie eine wichtige Schnittstelle zwischen der Politik auf Senats- und Bezirksebene auf der einen Seite und Trägern von Lernangeboten, Einrichtungen des öffentlichen Lebens und Betroffenen auf der anderen Seite. Alle anderen Bundesländer haben eine solche Institution bereits erfolgreich installiert. Folgende Aufgaben sollte die Koordinierungsstelle ausfüllen:

  1. Entwicklung eines breiten lokalen Bündnisses für Alphabetisierung und Grundbildung
  2. Vernetzung und fachlicher Austausch der Akteure in Grund- und Weiterbildungseinrichtungen
  3. Durchführung von Schulungen zur Vermittlung von Hintergrundwissen und zur Sensibilisierung von potenziellen Multiplikatorinnen und Multiplikatoren in Ämtern, Jobcentern, Betreuungs- und Beratungsstellen sowie in der Fortbildung von Lehrerinnen und Lehrern
  4. Information und Aufklärung der Betroffenen und ihres Umfeldes über die Beratungs- und Lernangebote
  5. Trägerübergreifende Abstimmung und Ausbau vielfältiger Beratungs- und Grundbildungsangebote
  6. Schaffung von Transparenz für die Themen Alphabetisierung und Grundbildung
  7. Regelmäßige Bilanzierung und Evaluation der geleisteten Arbeit und Erarbeitung von Empfehlungen für die weiteren Aktivitäten
Begründung:

6,2 Millionen Menschen der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter in Deutschland können nicht oder nicht ausreichend lesen und schreiben. Dies ist das Ergebnis des in der Leo Studie befragten Samples von Menschen zwischen 18 und 64 Jahren.  Das entspricht rechnerisch einer Größenordnung von 145.000 Menschen mit geringer Literalität in Hamburg. Bisher nehmen nur 0,7% der gering literalisierten Erwachsenen Lernangebote wahr. Betroffen ist aber auch eine große Anzahl von Menschen über 64 Jahren.

Die Betroffenen können nur eingeschränkt am gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Leben teilhaben und tragen angesichts zunehmender Qualifikationsanforderungen, insbesondere in der Digitalisierung der Arbeitswelt, ein sehr hohes Risiko beruflich abgehängt zu werden oder zu bleiben (Arbeitslosenquote: 12,9 % unter den gering literalisierten Erwerbsfähigen gegenüber 5,2 % in der Gesamtbevölkerung; Zahlen: Leo Studie 2018).

Der Alphabetisierung und Grundbildung als gesellschaftliches Querschnittsthema wird aber immer noch zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Dabei kann gelungene Alphabetisierung und Grundbildung sowohl berufsbezogen als auch in sozialen Handlungsfeldern wie Gesundheit, Familie, Integration, Finanzen oder Politik wichtige Präventionsarbeit leisten. Dies gilt besonders für die durch die Auswirkungen der Pandemie betroffenen Schulabgänger:innen mit mangelnden Schriftsprachkenntnissen, die vielfältige und passgenaue Grundbildungsangebote brauchen.

Bund und Länder haben 2011 die Nationale Strategie für Alphabetisierung und Grundbildung vereinbart, um in einem breiten Bündnis aller gesellschaftlichen Gruppen Menschen mit geringer Literalität zu unterstützen und das Grundbildungsniveau zu erhöhen.

Die darauf aufbauende, im Jahr 2016 ausgerufene Nationale Dekade für Alphabetisierung und Grundbildung setzt Alphabetisierung und Grundbildung oben auf die bildungspolitische Agenda. Ziel ist es, durch einen flächendeckenden, signifikanten Ausbau von Grundbildungsangeboten, den Anteil von Menschen mit geringer Literalität spürbar zu verringern.

Aktuell arbeiten in Hamburg auf Initiative der Behörde für Schule und Berufsbildung (BSB) Vertreterinnen und Vertreter von Bildungsträgern, Behörden, sozialen Einrichtungen sowie Einzelpersonen im Rahmen des Runden Tischs für Alphabetisierung und Grundbildung zusammen, um die Ziele der Nationalen Dekade in den lokalen Strukturen umzusetzen. Des Weiteren hat sich eine Arbeitsgruppe u.a. dieser Akteure als Bündnis für Alphabetisierung und Grundbildung in Hamburg zum Zwecke des politischen Austauschs zusammengefunden, welche die Umsetzung des Anliegens forciert.

Die o.g. Akteure sind sich darüber einig, dass Grundbildung mehr als Lesen und Schreiben ist. Im Grundsatzpapier zur Nationalen Dekade werden weitere Kompetenzen wie Rechenfähigkeit verbunden mit finanzieller Grundbildung, Digitale Grundbildung, Gesundheitsbildung und soziale Grundkompetenzen immer mehr in den Fokus gerückt. Aktuell, in Zeiten der Pandemie hat das Thema „Digitale Grundbildung“ seine Dringlichkeit bewiesen.

Eine zusätzliche Herausforderung liegt in der Durchführung von Grundbildungsangeboten für Migrantinnen und Migranten. Sie werden zwar in ihrer Vielfalt wahrgenommen und es gibt diverse Praxisansätze für verschiedene Zielgruppen. Doch es zeigt sich, dass einzelne Praxisfelder teilweise unverbunden sind und die Vernetzung unter den Akteuren eine Struktur braucht.

 

Beschluss: Annahme in geänderter Fassung
Text des Beschlusses:

Der Landesparteitag möge beschließen:

Als eigenständiger Beitrag zur Nationalen Dekade für Alphabetisierung und Grundbildung werden Senat und SPD-Bürgerschaftsfraktion aufgefordert, eine lokale und ressortübergreife Strategie zu diesem gesellschaftlich wichtigen Thema zu entwickeln. Wie im Bund sollten auch in Hamburg wichtige gesellschaftliche Partner:innen wie z. B. die Sozialpartner:innen, die Kirchen, Wohlfahrtsverbände und die Vertretung der Lernenden in ein Bündnis für Alphabetisierung und Grundbildung einbezogen werden.

Des Weiteren sollte eine trägerunabhängige Koordinierungsstelle für Alphabetisierung und Grundbildung in Hamburg eingerichtet werden. Sie wird als zentrale Anlaufstelle für alle benötigt, die sich zu Grundbildungsthemen informieren oder beraten lassen möchten. Gleichzeitig bildet sie eine wichtige Schnittstelle zwischen der Politik auf Senats- und Bezirksebene auf der einen Seite und Trägern von Lernangeboten, Einrichtungen des öffentlichen Lebens und Betroffenen auf der anderen Seite. Alle anderen Bundesländer haben eine solche Institution bereits erfolgreich installiert. Bei der Etablierung der Koordinierungsstelle ist sicherzustellen, dass das Fachpersonal über Erfahrungen auf dem Feld der Grundbildung und Alphabetisierung sowie über erwachsenpädagogische Kompetenzen verfügt. Folgende Aufgaben sollte die Koordinierungsstelle ausfüllen:

  1. Entwicklung eines breiten lokalen Bündnisses für Alphabetisierung und Grundbildung
  2. Vernetzung und fachlicher Austausch der Akteure in Grund- und Weiterbildungseinrichtungen
  3. Durchführung von Schulungen zur Vermittlung von Hintergrundwissen und zur Sensibilisierung von potenziellen Multiplikatorinnen und Multiplikatoren in Ämtern, Jobcentern, Betreuungs- und Beratungsstellen sowie in der Fortbildung von Lehrerinnen und Lehrern
  4. Information und Aufklärung der Betroffenen und ihres Umfeldes über die Beratungs- und Lernangebote
  5. Trägerübergreifende Abstimmung und Ausbau vielfältiger Beratungs- und Grundbildungsangebote
  6. Schaffung von Transparenz für die Themen Alphabetisierung und Grundbildung
  7. Regelmäßige Bilanzierung und Evaluation der geleisteten Arbeit und Erarbeitung von Empfehlungen für die weiteren Aktivitäten
Beschluss-PDF:
Überweisungs-PDF: