2024/II/Kul/1 Eine „Kühne-Oper“ nur mit Aufarbeitung der NS-Vergangenheit

Status:
Nicht Abgestimmt

Der Landesparteitag möge beschließen:
Die SPD Hamburg begrüßt, dass in den Opernstandort Hamburg nachhaltig investiert werden soll. Wir fordern den SPD-geführten Senat aber auf dafür Sorge zu tragen, dass Vorgespräche und Verhandlungen für eine von Kühne oder von der Kühne-Stiftung finanzierte Oper erst fortgeführt werden, wenn:
• die bisher unter Verschluss gehaltene unabhängige Studie zur Firmengeschichte öffentlich zugänglich ist,
• ein öffentlich geführter Diskurs unter Beteiligung von Experten zu der Verstrickung des Unternehmens und seiner Eigentümer mit dem NS-Regime stattgefunden hat,
• die Kühne-Archive der wissenschaftlichen Öffentlichkeit vollumgänglich zugänglich gemacht worden sind,
• sich Klaus-Michael Kühne öffentlich zu der unter Verschluss gehaltenen Studie bekennt und sich von der Zusammenarbeit mit dem NS-Regime durch das Unternehmen distanziert, und
• sichergestellt ist, dass eine Verknüpfung mit einem Immobiliengeschäft ausgeschlossen ist, insbesondere im Bezug auf die bestehende Staatsoper.

Begründung:

Der Milliardär Klaus-Michael Kühne ist der Erbe und Hauptanteilseigner des Logistikkonzerns Kühne + Nagel, dessen Hauptsitz er in die Schweiz verlegt hat. Er ist ein bedeutender Sponsor in seiner Heimatstadt Hamburg in den Bereichen Sport, Bildung und Kultur und könnte sich nun mit der Finanzierung einer neuen Oper in der Stadt verewigen. Die Rolle seines Unternehmens zuzeiten des Nationalsozialismus, lässt er jedoch nicht gründlich, unabhängig und für die Öffentlichkeit zugänglich aufarbeiten und hält Informationen unter Verschluss. Aus diesem Grund solle er nicht ohne Weiteres als Sponsor in Betracht gezogen werden.
Alfred Kühne, der Vater von Klaus-Michael Kühne, und dessen Bruder Werner Kühne profitierten vom Naziregime und der Verfolgung und Ermordung von Jüdinnen und Juden. Der jüdische Kaufmann und damals mit 45 % größter Anteilseigener, Adolf Maass, wurde 1933 unter der stattfindenden Arisierung aus dem Unternehmen gedrängt. Anschließend traten die Kühne-Brüder der NSDAP bei. Adolf Maass wurde 1945 zusammen mit seiner Frau Käthe im KZ Auschwitz ermordet. 1937 erhielt das Unternehmen Kühne + Nagel den Ehrentitel „Nationalsozialistischer Musterbetrieb“. Ebenfalls als Teil der Arisierung wurde 1938 der jüdische Eigentümer Leo Lewitus von den NS-Behörden dazu gezwungen seine Hamburger Niederlassung des tschechischen Transportunternehmens Alfred Deutsch an Kühne + Nagel zu verkaufen. Zwischen 1942 und 1944 transportierte das Unternehmen im Rahmen der „M-Aktion“, eine Abkürzung für „Möbelaktion“, das geraubte Eigentum deportierter Bewohner:innen aus dem besetzten Westeuropa nach Nazi-Deutschland. Es war dabei führend in dem Bereich und erhielt lukrative Staatsaufträge. Nach 1945 gab es keine Konsequenzen für die Kühne-Brüder. Sie behaupteten unter anderem, dass Adolf Maass die Firma freiwillig verlassen habe.
Während bekannte andere deutsche Unternehmen ihre Vergangenheit aufarbeiten, hält Kühne die Geschichte seiner Firma unter Verschluss. Wenn Kühne mittlerweile auch Bedauern an den Geschehnissen zuzeiten des Nationalsozialismus und der Involvierung des Unternehmens äußert, lässt er eine umfassende öffentliche Aufarbeitung jedoch nicht zu. In einem kürzlich erschienenen Artikel des Investigativ-Journalisten David de Jong im US-Magazin „Vanity Fair“ wurde berichtet, dass Kühne anlässlich des 125-jährigen Jubiläums seiner Firma eine Studie zur gesamten Firmengeschichte beim Handelsblatt Research Institute in Auftrag gab. Er habe hierfür den Zutritt zu den Firmenarchiven gewährt. Die Anfang 2015 beendete 150-seitige Studie, welche auch ein Kapitel zur NS-Zeit enthalte, wolle Kühne jedoch bis heute nicht veröffentlichen und lässt nicht zu, dass andere Historiker:innen Einblicke in die Archive gewinnen.
Mit der Kühne-Stiftung als Hauptsponsor wurde seit 2010 der Klaus-Michael Kühne-Preis im Rahmen des Harbour Front Literaturfestivals vergeben. Aus Kritik an der mangelnden Aufarbeitung der Rolle der Firma zuzeiten des Nationalsozialismus, lehnten der Autor Sven Pfizenmaier und die Autorin Franziska Gänsler 2022 ihre Nominierungen für den Preis ab. Die Kühne-Stiftung zog sich als Sponsor zurück und der Preis wurde in „Debütpreis des Harbour Front Literaturfestivals“ umbenannt.
Kritische Stimmen gegenüber Klaus-Michel Kühne und dem Unternehmen Kühne + Nagel sind also nicht neu und würden sich bei dem Bau einer von ihm finanzierten Oper mehren.
Ziel muss es sein, das jahrzehntelange Engagement in der Erinnerungskultur Hamburgs, nicht durch eine von Kühne finanzierte Oper zu beschädigen. Wenn die Sanierung der bestehenden Staatsoper bzw. der Bau eines neuen Opernhauses in Hamburg auch zu unterstützen ist, sollten jedoch nicht Spenden eines Unternehmers entgegengenommen werden, dessen Reichtum unter anderem in den vom Vater unterstützten Verbrechen der NS-Zeit begründet liegt, ohne dass dieser Umstand vor der Öffentlichkeit anerkannt und transparent und umfassend aufgearbeitet wurde. Gerade für uns Sozialdemokrat:innen ist die Aufarbeitung der NS-Zeit historische Verpflichtung. Zudem muss mit einem erheblichen Imageschaden für die Stadt Hamburg gerechnet werden, sollten die Informationen über die Firmengeschichte von Kühne + Nagel nach einer beschlossenen Zusammenarbeit mit der Kühne-Stiftung beim Bau einer neuen Oper breit in der deutschen Presse und Öffentlichkeit debattiert werden. Auch um die Demokratie zu schützen, ist es von großer Bedeutung, die Zeit des Dritten Reichs und die Auswirkungen der Geschichte bis in die heutige Zeit, nicht in Vergessenheit geraten zu lassen und hierbei auch bei einem generösen Spender keine Ausnahmen zu machen.

Überweisungs-PDF: