2024/I/Innen/4 Den Verfassungsschutz in die Schranken weisen!

Status:
Ablehnung

Der Landesparteitag der SPD Hamburg möge beschließen und an den Bundesparteitag sowie den Senat und die SPD-Bürgerschaftsfraktion weiterleiten:

Die Mitglieder der SPD-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft, die sozialdemokratischen Mitglieder des Senates, die Mitglieder der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag sowie die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung werden dazu aufgefordert, im Rahmen ihrer Möglichkeiten, darauf hinzuwirken, dass die bereits vom Bundeskabinett beschlossene Fassung des Gesetzes zum ersten Teil der Reform des Nachrichtendienstrechts dahingehend geändert wird, dass jegliche Maßnahmen, die eine Denunzierung von Individuen durch staatliche Stellen ermöglichen, untersagt bleiben.

Begründung:

Nachrichtendienste, ihre Rechte und ihre Rolle im Behörden- und Gesellschaftsgefüge sind seit jeher umstritten. Sie dürfen Dinge, die sonst keine Behörde darf. Die einen meinen, aus gutem Grund, andere lehnen die Sonderrolle per se ab. Bislang war aber unstrittig, dass aufgrund der Sonderbefugnisse eine restriktive Trennung zwischen Geheimdiensten und den Bundes- und Landespolizeien sowie sonstigen Behörden bestehen muss.
Der Bundesverfassungsschutz kommt bislang mit seinen 4000 Mitarbeitenden dem Auftrag nach, “Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung” aufzuspüren und zu beobachten. An die Polizeien dürfen aber erst dann Informationen weitergeleitet werden, wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die auf kriminelle Handlungen oder drohende Gefahren hinweisen. Über politische Ansichten einer Person, die zwar nach Ansicht des Geheimdienstes radikal sind, aber an sich gegen kein Gesetz verstoßen, hat die Behörde bislang Stillschweigen zu bewahren. Der Austausch mit anderen Behörden ist untersagt. Daran, Individuen in aller Öffentlichkeit an den Pranger zu stellen, war bislang nicht zu denken.
Doch das soll sich nach der Vorstellung des von unserer Genossin Nancy Faeser geführten Bundesinnenministeriums ändern. Die bereits vom Bundeskabinett abgesegneten Änderungen des Bundesverfassungsschutzgesetzes sehen nämlich vor, dass der Bundesverfassungsschutz personenbezogene Informationen auch an andere inländische Stellen – gemeint sind sämtliche Behörden – weitergeben darf, soweit es dem Geheimdienst zur Erfüllung seines Auftrages erforderlich erscheint. Indes schließt der Gesetzesentwurf nicht aus, dass sich der Bundesverfassungsschutz oder die informierten Behörden an Privatpersonen oder Unternehmen wenden.
Mit anderen Worten: Die Agent*innen dürfen sich künftig an die potenziellen Vermieter*innen, ja sogar an Familienmitglieder, Arbeitskollegin*nen oder Bekannte wenden, um nach ihrer Vorstellung auf eine Deradikalisierung hinzuwirken.

Dies birgt nicht nur das Risiko, eine Vielzahl von Personen irrtümlich und voreilig mit einem gesellschaftlichen Stigma zu belegen, das sie so schnell nicht wieder loswerden. Sondern steht vor allem vollständig im Widerspruch mit den Urteilen des Bundesverfassungsgerichtes, die den Anlass gegeben haben, an dieser Stelle gesetzgeberisch tätig zu werden. Anstatt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu stärken, werden weitere massive Eingriffe mit einer gesetzlichen Grundlage versehen. Es ist daher bereits höchst fraglich, ob die beabsichtigten Regelungen im Bundesverfassungsschutzgesetz nicht selbst (wieder) einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die Verfassung darstellen und deshalb vom Bundesverfassungsgericht kassiert werden.

Überweisungs-PDF: