2025/I/Arb/1 Arbeitsrechte für ALLE stärken!

Status:
Zurückgezogen

Der Landesparteitag der SPD Hamburg möge zur Weiterleitung an den SPD-Bundesparteitag und an die SPD-Bundestagsfraktion beschließen:
Wir fordern:
1. Erhöhung der staatlichen Zuschüsse für Werkstätte für behinderte Menschen.
2. Bezahlung der Belegschaft auf mindestens den gesetzlichen Mindestlohn.
3. Maximal 25% der Ausgleichsabgabe dürfen von Auftrags-Kosten an WfbM gedeckt werden.
4. Abschaffung der möglichen steuerlichen Absetzbarkeit der Ausgleichsabgabe, als Betriebsausgabe.
5. Verdoppelung der jeweiligen gestaffelten Kategorien der Ausgleichsabgabe bis 2030.Schrittweise Überführung der WfbM in öffentliches Eigentum.
6. Wir erinnern gleichzeitig an die Verpflichtung der WfBM, gem. des § 219 Abs. 1 SGB IX zur Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen beizutragen und Menschen mit Behinderung auf ihrem Weg in den allgemeinen Arbeitsmarkt ausreichend zu begleiten und zu unterstützen.

Begründung:

In Werkstätten für behinderte Menschen wird kein Mindestlohn gezahlt. Stattdessen erhalten die Arbeiter ein Werkstatt-Entgelt (im Jahr 2022 durchschnittlich rund 222 Euro monatlich) und ggf. ergänzend Leistungen der Sozialhilfe oder eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Das Entgelt wird unabhängig von dem geleisteten Stundensatz gezahlt. WfbM haben sicherzustellen, dass den Beschäftigten mindestens 35 Stunden pro Woche Aufenthalt beziehungsweise Verrichtung ihrer Arbeit in der Werkstatt gewährleistet werden. Das entspricht einem Stundenlohn von 1,58 Euro, und das auf dem Rücken von Menschen, die keine Interessen beziehungsweise Lobbyvertreterinnen haben.
Die Jusos in der SPD müssen sich ihrer Rolle als Vertreterinnen und Vertreter von eben genau den Menschen ohne Lobby beim Staat noch mehr bewusstwerden. Die staatlichen Zuschüsse müssen deutlich erhöht werden! Die Werkstätten sind auf Aufträge der auf Gewinn und Profit fokussierten Privatwirtschaft angewiesen. Oft müssen die Werkstätten auf private Unternehmen zugehen und Vorschläge für inklusive Konzepte vorlegen, um Aufträge zu erhalten. Dass die Werkstätten von allein, so viel Profit erreichen sollen, um den Mindestlohn zu gewährleisten, ist utopisch. Deswegen gibt es jetzt schon die aktuelle Bezuschussung, die deutlich erhöht werden muss. Die Angestellten der Werkstatt können nichts dafür, dass sie in einem wirtschaftlichen System leben, das auf Produktivitätsmaximierung beruht. In einem Sozialstaat sollte jeder Mensch Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn haben, auch jene, die diesem Produktivitätsmaximierungsprinzip des freien Marktes nicht zu hundertprozentig entsprechen.
Unternehmen können bis zu 50 % mit einem Auftrag an eine Werkstatt in die Ausgleichsausgabe verrechnen. An sich sind Aufträge an WfbM eine gute Sache. Das Problem an den 50 % ist, dass Unternehmen vor allem an den niedrigen Löhnen der Werkstätten profitieren, sich dann den Auftrag in der Ausgleichsabgabe sparen und im Endeffekt doppelt gespart und wenig zur Inklusion der Beschäftigten in den ersten Arbeitsmarkt beigetragen haben. Der hohe Prozentsatz kann also potenziell nicht zu einer Inklusion in den ersten Arbeitsmarkt führen, sondern zu mehreren Aufträgen, um die Inklusion gewissermaßen zu umgehen. Deswegen schlagen wir vor, dass man nicht pro Auftrag, sondern auf die gesamte Ausgleichsabgabe maximal 25 % Auftragskosten verrechnen darf. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es Unternehmen möglich, die Ausgleichsabgabe als Betriebsausgabe zu deklarieren, was zu einer Minderung des steuerpflichtigen Gewinns beziehungsweise einer geringeren Steuerlast führt. In der Praxis bedeutet das, dass Unternehmen lieber die Ausgleichsabgabe zahlen und sie sich nachher in der Steuererklärung zurückholen, anstatt sich ernsthaft solidarisch zu zeigen und ihre Betriebsstruktur inklusiver zu gestalten. Durch eine Abschaffung der steuerlichen Absetzung wird der Anreiz deutlich erhöht, sich ernsthaft mit dem Thema Inklusion im eigenen Betrieb auseinanderzusetzen, da die Ausgleichsabgabe nicht fällig wird, wenn man den gesetzlichen Anforderungen gerecht wird. Konzerne können Millionen und Milliarden an Dividenden ausschütten, dann wird es ihnen auch möglich sein, ihre Betriebsstruktur inklusiver zu gestalten.
Wenn dies nicht geschieht und die Pflichtarbeitsplätze für Schwerbehinderte nicht besetzt werden, müssen Unternehmen mit mehr als 60 Arbeitsplätzen beispielsweise bei einer Beschäftigungsquote von 0 % bis unter 2 % 405 € je unbesetztem Platz zahlen. Die sukzessive Verdoppelung bis 2030 soll aber für kleine und große Betriebe gelten. Wir fordern eine Verdopplung, damit sich Unternehmen ernsthaft dazu verleitet fühlen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.
Perspektivisch fordern wir ein vergesellschaftetes WfBM-System. Ein vergesellschaftendes Werkstattsystem öffnet die Wege für eine bessere Kommunikation mit beispielsweise der Bundesagentur für Arbeit. Daten über Fähigkeiten und Bedürfnisse der Beschäftigten könnten effektiver geteilt werden und eine staatliche Struktur würde den Zugang zu Förderprogrammen, Weiterbildungen und Qualifizierungsangeboten erleichtern. Das übergeordnete Ziel sollte es nämlich sowieso sein, die Inklusion weiter voranzutreiben und Menschen mit einer Behinderung die besten Chancen auf den ersten Arbeitsmarkt zu bieten und sie in den Werkstätten optimal auf diesen vorzubereiten. Deswegen ist es wichtig, dass eine Verstaatlichung schrittweise erfolgt. Bestehende Strukturen dürfen nicht zerstört werden! Die Bildung von gGmbHs ist sehr lobenswert und die Unterstützung der Werkstätten in diesem beschränkten Rahmen ist hoch anzuerkennen. Der Staat soll die Kommunikationsstrukturen nicht zerstören, sondern ergänzen und die Werkstätten vom Profitdruck befreien!
Bisher werden jährlich weniger als 1 % der Angestellten von WfbM in den ersten Arbeitsmarkt übernommen, ein Problem, das nicht totgeschwiegen werden darf!
Die geringe Bezahlung in den Werkstätten verstößt potenziell gegen die UN89 Behindertenrechtskonvention, EU-Recht und das Grundgesetz!
Eine Partei, die sich als Arbeiterpartei identifiziert, muss gegen Ausbeutung jeglicher Art vorgehen!
Die SPD hat sich für die Rechte von ALLEN Arbeiterinnen und Arbeitern einzusetzen!

Überweisungs-PDF: