2023/II/Wi/Steu/7 Anpassung der Rentenformel für eine gerechte Rente

Der Landesparteitag der Hamburger SPD möge zur Weiterleitung an den Bundesparteitag beschließen:

  • Aufgabe einer sozialdemokratischen Rentenpolitik muss es sein, die Rentenformel an die jetzige und künftige Gesellschaft anzupassen. Sozialpolitische Zielsetzung eines gesetzlichen Alterssicherungssystems darf nicht nur die Vermeidung von Altersarmut sein.
  • Generationsgerechtigkeit bedeutet vor allem, dass die Beitragszahler bereits in jungen Jahren darauf vertrauen können, im Versicherungsfall eine Altersversorgung zu erhalten, die einen gesellschaftlichen und sozialen Abstieg im Alter ausschließt. Es muss der Grundsatz gelten, dass jahrzehntelange Arbeit auch ein angemessenes Leben im Alter ermöglicht.
  • Es ist falsch, den Wert der Arbeit nur nach der Höhe des erzielten Einkommens zu bewerten. Der mit der Rentenreform 1992 abgeschaffte Zeitfaktor muss daher wieder bei der Berechnung der individuellen Rente berücksichtigt werden.
  • Auch im Hinblick auf eine Erwerbstätigenversicherung zeigt das Beispiel Österreich, dass die Einbeziehung der Beamtenversorgung in die soziale Alterssicherung nur gelingen kann, wenn die soziale Rentenversicherung ähnliche Bedingungen bzw. Berechnungsgrundlagen wie die Beamtenversorgung hat.
  • Statt immer neue Ausnahmeregelungen zu schaffen, wäre zu prüfen, ob es nicht gerechter ist, z.B. das Drittel der persönlichen Entgeltpunkte für die Beitragszeiten mit der geringsten Bewertung auf den Durchschnitt der persönlichen Entgeltpunkte anzuheben.
Begründung:

In der Rentenpolitik hat in den letzten Jahren ein Umdenken stattgefunden. Insbesondere langjährig Versicherte sollen danach einen Anspruch auf eine angemessene Altersversorgung erhalten. Mit Einführung der jetzigen Rentenformel 1992 wurde jedoch der Zeitfaktor, der bis dahin die Dauer der Versicherungszeit bei der Höhe der individuellen Rente beeinflusste, aus der Berechnung der individuellen Rente herausgenommen. Seitdem errechnet sich die Rente nach der Formel:

Rentenhöhe = Entgeltpunkte x Zugangsfaktor x aktueller Rentenwert x Rentenartfaktor,

wobei sich der aktuelle Rentenwert aus der jährlichen Rentenanpassung ergibt. Derzeit beträgt er 37,60 €. Da der Rentenartfaktor bei der Altersrente immer 1 ist und der Zugangsfaktor nur dann nicht 1 ist, wenn man vorzeitig (oder später) in Rente geht, ist somit für die individuelle Höhe der Rente ausschließlich die Anzahl der im Erwerbsleben angesammelten Entgeltpunkte maßgeblich.

Dabei erhält derjenige einen vollen Entgeltpunkt, wenn er in einem Jahr exakt ein Einkommen hatte, welches dem durchschnittlichen Einkommen aller Versicherten entspricht. Wenn dies immer der Fall ist, erhält er derzeit nach 45 Beschäftigungsjahren eine monatliche Rente von 1.692,00 € (Standartrente).

Das heißt aber auch, wenn jemand immer das Doppelte des durchschnittlichen Einkommens erzielt hat, muss er nur 22½ Jahre arbeiten, um die gleiche Rente zu bekommen. Jemand, der für seine Arbeit immer nur 80 Prozent des durchschnittlichen Einkommens für seine Arbeit erhalten hat, muss, um die gleiche Rente zu bekommen, 56 Jahre und drei Monate arbeiten.

Zwar gibt es keinen Beschäftigten, der 45 Jahre durchgehend gearbeitet und dabei immer den Durchschnittsverdienst oder immer im Verhältnis dazu das entsprechende Einkommen bezogen hat. Deutlich wird aber, dass es in der Erwerbsbiografie nicht darauf ankommt, wie lange jemand gearbeitet hat, sondern wie seine Arbeit bezahlt wurde. Daraus erklärt sich auch, warum von der Altersarmut vor allem Frauen betroffen sind. Abgesehen davon, dass diese immer noch sehr viel schlechter bezahlt werden als die Männer, sind diese auch hauptsächlich in Berufen und Branchen tätig, die ohnehin schlecht bezahlt werden. Ein anderer Grund ist aber auch, dass vor allem Frauen die Verantwortung für die Familie übernehmen und damit auch die Schwierigkeiten der Vereinbarung von Beruf und Familie tragen.

Die Folgen dieser Doppelbelastung sind geringere Chancen auf dem Arbeitsmarkt, Erwerbsunterbrechungen sowie Beschäftigung in Formen, die vielfach keine eigenständige Existenzsicherung erlauben. Die zusätzlichen Entgeltpunkte für die Kindererziehung gleichen das höhere Risiko für Altersarmut bei weitem nicht aus. Auch eine Eigenbeteiligung mit einer ergänzenden Rentenversicherung setzt voraus, dass man die Mittel dafür erst einmal haben muss. Und auch der effektive Ausgleich über eine Betriebsrente setzt eine langjährige Beschäftigung voraus.

Bereits 2017 haben wurde vorgeschlagen zu prüfen, ob es nicht gerechter ist, z.B. das Drittel der persönlichen Entgeltpunkte für die Beitragszeiten mit der geringsten Bewertung auf den Durchschnitt der persönlichen Entgeltpunkte anzuheben*. Damit wird teilweise ein Prinzip der Beamtenversorgung auf die gesetzliche Rentenversicherung übertragen und es spielt bei der Berechnung des Rentenanspruchs mehr auch eine Rolle, über welchen Zeitraum Beiträge entrichtet wurden. Bei 45 Jahren Versicherungszeit würden die 15 Jahre mit den niedrigsten Entgeltpunkten auf den Durchschnitt der Entgeltpunkten aus den anderen Jahren angehoben. Der Bundesparteitag beschloss 1917 diesen Vorschlag als Arbeitsmaterial in die Rentenkommission zu geben. Nachdem jetzt der Abschlussbericht der Rentenkommission vorliegt, muss jedoch festgestellt werden, dass die Rentenkommission diesen Vorschlag gar nicht beachtet hat. Wie sonst würde sie zu dem Ergebnis kommen, dass zwar viele Frauen in der „Teilzeitfalle“ oder „Minijobfalle“ gefangen sind, die Rentenversicherung dieses aber nur zum Teil ausgleichen kann.

Dadurch ergibt sich aber ein wesentlich besseres Bild der Lebensleistung und eine gerechtere Rente. Zeiten wie Teilzeit, Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit, die nichts mit einem Ausstieg aus der Solidarität zu tun haben, würden gerechter bewertet. Aber auch das Ziel einer Erwerbstätigenversicherung einschließlich der selbstständigen Beschäftigten und den Beamten ließe sich eher umsetzen.

 

Beschluss: Annahme
Text des Beschlusses:

Der Landesparteitag der Hamburger SPD möge zur Weiterleitung an den Bundesparteitag beschließen:

  • Aufgabe einer sozialdemokratischen Rentenpolitik muss es sein, die Rentenformel an die jetzige und künftige Gesellschaft anzupassen. Sozialpolitische Zielsetzung eines gesetzlichen Alterssicherungssystems darf nicht nur die Vermeidung von Altersarmut sein.
  • Generationsgerechtigkeit bedeutet vor allem, dass die Beitragszahler bereits in jungen Jahren darauf vertrauen können, im Versicherungsfall eine Altersversorgung zu erhalten, die einen gesellschaftlichen und sozialen Abstieg im Alter ausschließt. Es muss der Grundsatz gelten, dass jahrzehntelange Arbeit auch ein angemessenes Leben im Alter ermöglicht.
  • Es ist falsch, den Wert der Arbeit nur nach der Höhe des erzielten Einkommens zu bewerten. Der mit der Rentenreform 1992 abgeschaffte Zeitfaktor muss daher wieder bei der Berechnung der individuellen Rente berücksichtigt werden.
  • Auch im Hinblick auf eine Erwerbstätigenversicherung zeigt das Beispiel Österreich, dass die Einbeziehung der Beamtenversorgung in die soziale Alterssicherung nur gelingen kann, wenn die soziale Rentenversicherung ähnliche Bedingungen bzw. Berechnungsgrundlagen wie die Beamtenversorgung hat.
  • Statt immer neue Ausnahmeregelungen zu schaffen, wäre zu prüfen, ob es nicht gerechter ist, z.B. das Drittel der persönlichen Entgeltpunkte für die Beitragszeiten mit der geringsten Bewertung auf den Durchschnitt der persönlichen Entgeltpunkte anzuheben.
Beschluss-PDF:
Überweisungs-PDF: