2023/I/Recht/4 Angleichung der Unterhaltsbeihilfe für die Hamburger Referendarinnen und Referendare und Streichung der Anrechnung von Nebentätigkeiten

Status:
Annahme

Der Landesparteitag möge beschließen:

Der Senat und die Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg werden aufgefordert, die folgenden Maßnahmen zu ergreifen, um den Hamburger Rechtsreferendar*innen einen im bundesweiten Vergleich angemessenen Lebensunterhalt zu gewährleisten:

  1. Angleichung des Grundbetrages der monatlichen Unterhaltsbeihilfe für Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare an den Anwärtergrundbetrag der Besoldungsgruppe A 13 gemäß Anlage VIII zum Hamburgischen Besoldungsgesetz.
  2. Streichung der Anrechnung von Vergütungen für Nebentätigkeiten auf den Grundbetrag der monatlichen Unterhaltsbeihilfe.
Begründung:

Wer in Deutschland als Rechtsanwält*in, Richter*in oder Staatsanwält*in arbeiten möchte, muss nach dem Jurastudium ein Referendariat absolvieren, das zwei Jahre dauert und aus mehreren drei- bis neunmonatigen Ausbildungsstationen besteht. Rechtsreferendar*innen stehen – mit Ausnahme einiger weniger Bundesländer, in denen sie auf Widerruf verbeamtet werden – in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis. Für ihre Tätigkeit erhalten sie kein Gehalt, sondern lediglich eine sog. Unterhaltsbeihilfe, die ihre Lebenshaltungskosten abdecken soll. Die Freie und Hansestadt Hamburg ist als Stadtstaat im bundesweiten Vergleich eines der Länder mit den höchsten Lebenshaltungskosten. Bei den durchschnittlichen Mietkosten für Wohnraum liegt Hamburg mit 13 Euro pro m2 sogar auf Platz 1, während diese in Schleswig-Holstein und Bremen nur 9 Euro pro m2 und in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen sogar nur 8 Euro pro m2 betragen. Gleichwohl zahlt Hamburg seinen Rechtsreferendar*innen seit langem die niedrigste Unterhaltsbeihilfe. Diese liegt erheblich unter dem derzeitigen gesetzlichen Mindestlohn, so dass die Rechtsreferendar*innen entweder auf finanzielle Unterstützung von ihren Eltern oder auf einen gut bezahlten Nebenjob angewiesen sind. Zugleich ist Hamburg jedoch das Bundesland, das die mit Abstand strengste Anrechnung von Einnahmen aus Nebentätigkeiten auf die Unterhaltsbeihilfe vornimmt. All dies hat zur Folge, dass es insbesondere Absolvent*innen ohne reiche Eltern praktisch unmöglich gemacht wird, in Hamburg ihr Referendariat zu absolvieren, ohne am Existenzminimum zu kratzen. Dieser Zustand ist unhaltbar und eines sozialdemokratisch regierten Bundeslandes unwürdig. Die Hamburger Rechtsreferendar*innen haben bereits ca. fünf Jahre studiert, ihr Erstes Staatsexamen mit weit überdurchschnittlichen Noten abgeschlossen und sind ihren Ausbilder*innen in Justiz, Verwaltung und Anwaltschaft in aller Regel keine Last, sondern eine große Hilfe. Die vorgeschlagenen Änderungen sorgen für entscheidende Nachbesserungen und berücksichtigen zugleich die weiterhin angespannte Haushaltslage.

Im Einzelnen:

zu 1. (Angleichung des Grundbetrags der monatlichen Unterhaltsbeihilfe für Rechtsreferendar*innen an den Anwärtergrundbetrag der Besoldungsgruppe A 13):

Mit derzeit 1.243,07 Euro brutto monatlich zahlt die Freie und Hansestadt Hamburg ihren Rechtsreferendar*innen die im bundesweiten Vergleich niedrigste Unterhaltsbeihilfe. Zum Vergleich: In Sachsen und Thüringen beträgt die Unterhaltsbeihilfe trotz – teilweise um mehr als die Hälfte – geringerer Lebenshaltungskosten knapp 1.600 Euro und selbst in Berlin 1.537,52 Euro. Dieser Betrag erhöht sich zwar gemäß § 1 Abs. 3 der Verordnung über die Unterhaltsbeihilfe für Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare vom 14. Dezember 2022 parallel zum Grundgehalt der Landesbeamt*innen der Besoldungsgruppe A 13. Weshalb die Unterhaltsbeihilfe selbst jedoch erheblich geringer ausfällt als der Anwärtergrundbetrag dieser Besoldungsgruppe, der gegenwärtig bei 1.575,04 Euro brutto monatlich liegt, erschließt sich nicht. Den Anwärtergrundbetrag der Besoldungsgruppe A 13 erhalten in Hamburg u.a. die Referendar*innen für das Lehramt an Gymnasien und beruflichen Schulen, obwohl diese nicht höher qualifiziert sind als die Rechtsreferendar*innen. Eine Angleichung an diesen Betrag erscheint daher als erster Schritt dringend erforderlich. Zwar ist auch dieser Betrag zur Deckung des Lebensunterhalts in Hamburg sehr knapp bemessen; so liegt er noch immer deutlich unter dem monatlichen Bruttogehalt einer Beschäftigung nach Mindestlohn, das derzeit ca. 2.080 Euro beträgt. Immerhin würde er aber die ganz erhebliche Lücke zu anderen Ländern wie Sachsen, Thüringen und Berlin schließen. Die jährlichen Mehrkosten dieser Angleichung lägen bei 3.893,64 Euro pro Rechtsreferendar*in, für die insgesamt ca. 600 Rechtsreferendar*innen also bei ca. 2,4 Mio. Euro.

zu 2. (Streichung der Anrechnung von Vergütungen für Nebentätigkeiten auf den Grundbetrag der monatlichen Unterhaltsbeihilfe)

Auch im Falle der vorgeschlagenen Erhöhung des Grundbetrages der Unterhaltsbeihilfe liegt der Nettobetrag, der den Rechtsreferendar*innen monatlich zur Verfügung steht, bei lediglich ca. 1.236 Euro. Daher werden viele Rechtsreferendar*innen weiterhin einen Nebenjob aufnehmen müssen. Nach der bisherigen Anrechnungsregelung des § 3 der Verordnung über die Unterhaltsbeihilfe für Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare vom 14. Dezember 2022 wird die Unterhaltsbeihilfe gekürzt, sobald ein*e Rechtsreferendar*in aus einer Nebentätigkeit mehr als 587,63 Euro einnimmt. Eine Aufbesserung der Unterhaltsbeihilfe mithilfe eines Nebenjobs wird hierdurch ganz erheblich erschwert. Diese Regelung ist insbesondere gegenüber denjenigen Rechtsreferendar*innen, die keine finanzielle Unterstützung von ihren Eltern erhalten, schlicht unsozial. Sie ist auch nicht etwa bundesweit üblich, sondern ein trauriges Hamburger Alleinstellungsmerkmal. So wird etwa in Berlin und Bayern die Unterhaltsbeihilfe erst gekürzt, sobald die Einnahmen aus einer Nebentätigkeit sie übersteigen; zudem verbleibt den Rechtsreferendar*innen dort – anders als in Hamburg, wo die Unterhaltsbeihilfe ggf. vollständig wegfällt – stets ein Mindestbetrag. Die meisten Ländern sehen hingegen eine Anrechnung erst ab Einnahmen von 150 % der Unterhaltsbeihilfe vor; in Hessen ist eine Anrechnung sogar überhaupt nicht vorgesehen. Auf dem Papier soll die Hamburger Anrechnungsregelung der Gefahr vorbeugen, dass die Referendar*innen ihre Ausbildung zugunsten eines lukrativen Nebenjobs schleifen lassen. Dieses Argument überzeugt nicht. Ein solche Gefahr dürfte schon wegen der überragenden Bedeutung eines erfolgreichen Referendariats und Zweiten Staatsexamens für den weiteren Lebensweg der Rechtsrefendar*innen nicht bestehen. Zudem sind Rechtsreferendar*innen erwachsene Menschen mit einem abgeschlossenen Hochschulstudium, denen ihr Dienstherr ein Mindestmaß an Eigenverantwortung zubilligen darf. Besonders zynisch erscheint dieses Argument jedoch vor dem Hintergrund der im bundesweiten Vergleich besonders hohen Lebenshaltungskosten, die durch die gegenwärtige Inflation besonders ins Gewicht fallen, und der dargestellten Folgen der Anrechnung insbesondere für weniger wohlhabende Rechtsreferendar*innen. Nicht zuletzt ist aber auch der haushälterische Nutzen der Anrechnungsregelung, den diese wohl eigentlich bezweckt, begrenzt. Da sie die meisten Rechtsreferendar*innen schlicht von der Aufnahme einer Nebentätigkeit abhält, beläuft sich die jährliche „Ersparnis“ durch Kürzungen der Unterhaltsbeihilfe lediglich auf xxx.xxx Euro. Durch eine Abschaffung der Anrechnung würde den Rechtsreferendar*innen ermöglicht, trotz der – selbst nach der vorgeschlagenen Erhöhung – weiterhin sehr knapp bemessenen Unterhaltsbeihilfe einen angemessenen Lebensunterhalt zu erreichen, ohne den Haushalt übermäßig zu belasten.

Beschluss: Annahme in geänderter Fassung
Text des Beschlusses:

Der Landesparteitag möge beschließen:

Der Senat und die Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg werden aufgefordert, folgende Maßnahmen zu ergreifen, um den Hamburger Rechtsreferendar*innen einen im bundesweiten Vergleich angemessenen Lebensunterhalt zu gewährleisten:

  1. Angleichung des Grundbetrages der monatlichen Unterhaltsbeihilfe für Rechtsreferendar*innen an den Anwärtergrundbetrag der Besoldungsgruppe A13 gemäß Anlage VIII zum Hamburgischen Besoldungsgesetz.
  2. Erhöhung des Freibetrages („Anrechnungsgrenzbetrag“) für die Anrechnung von Vergütungen für Nebentätigkeiten auf die monatliche Unterhaltsbeihilfe bei gleichzeitiger Änderung des Anrechnungsmodells von einer hälftigen zu einer vollständigen Anrechnung.
Beschluss-PDF:
Überweisungs-PDF: