Der Landesparteitag möge beschließen:
Der Landesparteitag fordert unsere Bürgerschaftsfraktion auf, daraufhin zu wirken,
1. ADHS und andere Neurodivergenzen wie ASS als festen Bestandteil in der Ausbildung für Erzieher*innen, Lehrkräfte und sonstiges pädagogisches Fachpersonal einzuführen. Und dies nur noch auf Grundlage der ICD 11 (International Codex of Diseases 11) und NICHT auf Grundlage der veralteten ICD 10.
2. eine Aufklärungsoffensive an Hamburger Schulen zum Thema ADHS und anderer Neurodivergenzen z.B. anhand von Expert*innen-Vorträgen, Fachkonferenzen und Aufklärungsmaterial zu starten.
3. Neben den Herausforderungen gibt es auch Stärken, die gesehen und berücksichtigt werden müssen. Die Vielfalt neurologischer Entwicklungsweisen zu berücksichtigen ist auch eine Chance die pädagogische Qualität in Kita und Schule weiterzuentwickeln.
Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist eine neurobiologische, in den meisten Fällen angeborene Entwicklungsstörung, die sich durch Probleme mit der Aufmerksamkeit, Impulsivität und der Selbstregulation äußert. Bei einigen Menschen tritt zusätzlich starke körperliche Unruhe (Hyperaktivität) auf. Heute wird ADHS zunehmend als komplexe Entwicklungsstörung des Selbst¬regulations-Systems im Gehirn verstanden.
Die Autismus-Spektrum-Störung (ASS) ist ebenfalls eine neurobiologische Entwicklungsstörung, die sich insbesondere auf die Regulation des Nervensystems auswirkt. Hinzu kommen Besonderheiten in der Kommunikation, Einschränkungen der sozialen Interaktion, sowie Schwierigkeiten bei der Verarbeitung von Reizen in unterschiedlicher Ausprägung. Konservativ wird davon ausgegangen, dass bei 1 von 100 Personen eine Autismus-Spektrums-Störung vorliegt. Forschung und eine verbesserte Diagnostik weisen allerdings darauf hin, dass diese Zahl höher sein könnte.
ADHS ist die häufigste Entwicklungsstörung bei Kindern und Jugendlichen. Die ADHS-Diagnose wurde über Jahrzehnte in Frage gestellt und stigmatisiert, was dazu geführt hat, dass viele Betroffene (insbesondere Mädchen/Frauen) nicht diagnostiziert worden sind. ADHS und ASS kommen häufig gemeinsam vor. Bei Vorliegen einer ASS tritt ADHS bei 40-50% der Fälle zusätzlich auf. Das bedeutet, dass jede:r zweite ASS-Betroffene auch zusätzlich ADHS-Symptome hat. Auch bei ADHS zeigt sich eine häufigere Vergesellschaftung mit ASS, aber nicht so häufig wie umgekehrt. Interessant ist auch, dass es in Familien mit ADHS-Betroffenen mehr Angehörige mit ASS gibt und umgekehrt. Beide Erkrankungen sind zu einem hohen Maße genetisch bedingt (74-93%). In der Genforschung wurden erbliche Überschneidungen von ADHS und Autismus nachgewiesen.
DIE ZEIT schrieb im Januar 2025 „Menschen mit ADHS sterben bis zu 10 Jahre früher“ – das heißt, sie haben eine ähnlich reduzierte Lebenserwartung wie starke Raucher:innen – wenn die ADHS nicht therapiert wird und das Verständnis für die besonderen Bedürfnisse dieser Menschen in der Gesellschaft sich nicht erhöht. Dies begründet sich daraus, dass die unterschiedlichen Symptome von unbehandelter! ADHS (und anderer Neurodivergenzen wie ASS) verschiedenste negative Aus-wirkungen auf die betroffenen Personen selbst hat, was sich wiederum massiv auf ihr Umfeld und die Gesellschaft auswirkt.
• Beeinträchtigung der Aufmerksamkeit: Unaufmerksamkeit und Reizüberflutung kann zu Problemen in der Schule, bei der Arbeit und im täglichen Leben führen, da es schwierig ist, sich auf Aufgaben und Aktivitäten zu konzentrieren.
• Hyperaktivität und Impulsivität: Übermäßige motorische Aktivität, fehlender sozialer Kompass und impulsives Verhalten können zu sozialen Schwierigkeiten, Problemen in zwischenmenschlichen Beziehungen und zu Unfällen führen. So ist z.B. das Risiko Opfer von Mobbing bei Kindern mit ADHS und anderen Neurodivergenzen wie ASS erhöht.
• Beeinträchtigung in der schulischen und beruflichen Leistung: ADHS und ASS können die schulische und berufliche Leistung beeinträchtigen, da es schwierig ist, Aufgaben abzuschließen und den Anforderungen gerecht zu werden. Das führt zu schlechteren Bildungschancen und einem höheren Risiko für Arbeitslosigkeit.
• Verletzungsgefahr: Aufgrund der motorischen Unruhe und Impulsivität besteht ein erhöhtes Risiko für Unfälle und Verletzungen. Hinzu kann ein vermindertes Risikobewusstsein kommen
• Risikoverhalten: ADHS kann zu riskantem Verhalten, wie Drogenkonsum oder rücksichtslosem Fahren führen. Auch das Risiko für Kriminalität und Gewalt ist erhöht.
• Emotionale und psychische Probleme: Bis zu 80 % der Betroffenen leiden an einer oder mehreren psychischen Erkrankungen. Psychische Erkrankungen und emotionale Probleme können hierbei „gemeinsam“ gehäuft auftreten oder aber auch durch ADHS und oder ASS verursacht oder verstärkt werden.
• Familiäre Probleme: Die Scheidungsrate von Eltern mit ADHS (und von anderen Neurodivergenzen) betroffener Kinder ist deutlich erhöht.
• Suizid-Gefahr: Die Selbstmordrate von Menschen mit ADHS und im Autismusspektrum ist erhöht.
• Kommunikation: Sprache, die nicht an die autistische Kommunikation angepasst ist, kann eine große Hürde darstellen, die zum Beispiel verhindert, dass in der Schule das vorhandene Wissen abgerufen werden kann, weil die Aufgabenstellung ungenau ist.
Diese Ausführungen zeigen, dass die hohe Anzahl ADHS- und ASS-Betroffener sowie die vielen Risiken, die mit diesen neurobiologischen Entwicklungsstörungen einhergehen ein erhebliches gesellschaftliches Problem darstellen, das bisher kaum oder viel zu wenig Beachtung findet!
Quellen:
https://www.zeit.de/gesundheit/2025-01/adhs-krankheit-studie-tod-behandlung