2025/II/Recht/3 Verzicht auf den Strafantrag beim „Schwarzfahren“ durch den HVV

Status:
Nicht Abgestimmt

Der Landesparteitag der SPD-Hamburg möge beschließen:

Die sozialdemokratischen Mitglieder des Senats werden dazu aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass der HVV auf Strafanzeigen wegen Fahrens ohne gültigen Fahrschein nach § 265a StGB grundsätzlich verzichtet.

Begründung:

Wer in Hamburg ohne Ticket in einen Bus, eine Bahn oder auf eine Fähre steigt, der macht sich nach § 265a Abs. 1 StGB wegen Leistungserschleichung strafbar. Neben einer Vertrags(geld)strafe kann auch ein Strafverfahren auf die Betroffenen zukommen – allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die/der Verletzte einen Strafantrag stellt. In Hamburg stellt der HVV dies meist nach dem dritten Vergehen.
Im Jahr 2023 kam es deutschlandweit zu fast 150.000 Urteilen gegen Menschen, die ohne Ticket ein öffentliches Verkehrsmittel genutzt haben. Kriminolog*innen schätzen, dass immerhin 8.000 bis 9.000 Menschen pro Jahr deutschlandweit für ein solches Vergehen in Haft genommen werden und auch in Hamburg sitzen Menschen im Gefängnis, weil sie ohne Fahrschein ein öffentliches Verkehrsmittel genutzt haben.

In den seltensten Fällen werden die Menschen direkt zu Haftstrafen verurteilt, meist können sie bloß die ihnen auferlegten Geldstrafen nicht bezahlen. Tatsächlich wandern – abgesehen von einzelnen Überzeugungs-”Täter*innen” – ausschließlich mittellose Menschen für das Fahren ohne Ticket ins Gefängnis: Mittel- und Obdachlose sowie Drogenabhängige.

Der Gefängnisaufenthalt trifft in der Praxis also die Schwächsten unserer Gesellschaft, die für ein verhältnismäßig leichtes Vergehen schwer bestraft werden. Zu Recht bezeichnet daher etwa die Neue Richter*innenvereinigung diese Praxis als „echte Armutsbestrafung“.

Auch deshalb ist die Strafnorm – von den Nationalsozialisten 1935 im Strafgesetzbuch untergebracht – seit jeher Gegenstand der (strafrechtlichen) Debatte. Zuletzt warf der damalige Justizminister Marco Buschmann 2023 die Frage der Notwendigkeit besagter Strafnorm auf. Eine Novellierung des Paragrafen durch den Bundestag steht jedoch – Stand heute – nicht bevor und findet auch im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD keine Erwähnung.

Anders als von manchen Kritiker*innen behauptet, drohen den Verkehrsbetrieben keine signifikanten finanziellen Einbußen. Selbst ohne strafrechtliche Verfolgung trifft “Schwarzfahrer*innen” weiterhin die Vertragsstrafe, welche für sich bereits eine abschreckende Wirkung entfaltet. Dass der Staat für eine zusätzliche Abschreckung in Form des Strafrechts sorgt, erscheint angesichts des geringen Unrechts unverhältnismäßig. Im letzten Jahr haben bereits die Städte Mainz, Köln und Wiesbaden beschlossen, zukünftig grundsätzlich auf einen Strafantrag zu verzichten.

Auch die ohnehin überlasteten Justizvollzugsanstalten werden durch Ersatzfreiheitsstrafen unnötig belastet und müssen viel Aufwand für einen vergleichsweise geringen Unrechtsgehalt betreiben. Nicht umsonst kritisieren diverse Richter*innenvereinigungen und in einem öffentlichen Brief zuletzt auch über hundert Wissenschaftler*innen die aktuelle Praxis der Verkehrsbetriebe.

Überweisungs-PDF: