2025/II/Teilh/3 Parität ist möglich: Geschlechtergerechtigkeit als Staatsziel in der Hamburgischen Verfassung verankern

Status:
Nicht Abgestimmt

Der Landesparteitag möge zur Weiterleitung an die SPD Bürgerschaftsfraktion eine Verankerung des Grundsatzes der Parität in der Hamburgischen Landesverfassung beschließen. Für diesen Zweck ist Artikel 3 Absatz 2 der Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg vom 6. Juni 1952 um einen Zusatz zu ergänzen, der geschlechterparitätische Kandidaturen für Bürgerschafts- und Bezirksversammlungen festschreibt.

Begründung:

1. Ausgangslage: Repräsentation und Realität:
Geschlechtergerechtigkeit ist ein zentraler Wert der Sozialdemokratie und eine Voraussetzung für eine moderne, demokratische Gesellschaft. Über 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts bleibt die paritätische Besetzung von Parlamenten in Deutschland, einschließlich Hamburg, unerreicht.
In der aktuellen Hamburgischen Bürgerschaft liegt der Frauenanteil knapp bei 49 %; ein vergleichsweise hoher Wert, der in erster Linie im Wahlerfolg derjenigen Parteien gründet, die im Rahmen von Aufstellungsverfahren Quoten-Regelungen vorsehen. Dennoch zeigt sich: Ohne verbindliche Maßnahmen sinkt die Repräsentation von Frauen. Denn parteiinterne Strukturen verhindern ihre Kandidaturen oftmals. Auf kommunaler Ebene, sowie in Parteiämtern und Senatsfunktionen setzt sich die strukturelle Ungleichverteilung fort. In Hamburg liegt der Frauenanteil in den SPD-Bezirksfraktionen bei durchschnittlich 38 Prozent (Mitte: 36,8 %, Altona: 18,2 %, Eimsbüttel: 50 %, Nord: 54,5 %, Wandsbek: 17,6 %, Bergedorf: 50 %, Harburg: 38,5 %), in der SPD-Bürgerschaftsfraktion bei 41,1 % (Mitte: 27,3 %, Altona: 33,3 %, Eimsbüttel: 42,9 %, Nord: 62,5 %, Wandsbek: 45,5 %, Bergedorf: 42,9 %, Harburg: 33,3 %). Die Repräsentation der Frauen bleibt damit defizitär.

2. Verfassungsrechtlicher Rahmen in Deutschland
In Brandenburg (2020) und Thüringen (2020) wurden die dortigen Paritätsgesetze von den jeweiligen Landesverfassungsgerichten für verfassungswidrig erklärt – insbesondere wegen Verstößen gegen das Demokratieprinzip, die Wahlrechtsgleichheit und die Parteienfreiheit.
Das Verfassungsgericht hat mit Beschluss vom 6. Dezember 2021 (2 BvR 1470/20) eine Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Thüringer Verfassungsgerichtshofs zur Nichtigkeit des dortigen Paritätsgesetzes nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie
unzulässig war.
In der Begründung stellte das BVerfG allerdings klar:
Landesverfassungen können nur dann starre paritätische Regelungen zulässig machen, wenn die jeweilige Landesverfassung dies ausdrücklich erlaubt oder verlangt.

3. Juristische und politische Schlussfolgerung
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes ist ein Paritätsgesetz nur dann verfassungsgemäß, wenn die jeweilige Landesverfassung den Grundsatz der Parität ausdrücklich trägt oder verlangt.
Das bedeutet:
Eine Verankerung des Paritätsprinzips in der Hamburgischen Landesverfassung ist die notwendige Voraussetzung, um künftig rechtssicher Paritätsregelungen im Wahlrecht umsetzen zu können.
• Die Gleichstellung ist nicht nur ein Verfassungsauftrag (Art. 3 Abs. 2 GG), sondern auch eine demokratische Notwendigkeit
• Die Hamburger SPD steht in der Verantwortung, strukturelle Hürden zu benennen und zu beseitigen:
Dabei ist sicherzustellen, dass das Paritätsprinzip nicht eindimensional greift, sondern die Vielfalt ausdrücklich mitgedacht wird. Eine verfassungsgemäße und zukunftsgerichtete Gleichstellungspolitik muss intersektionale Diskriminierungslagen – etwa entlang von
Herkunft, ethnischer Zuschreibung, Behinderung, Alter, geschlechtlicher und sexueller Identität oder aufgrund von Care-Arbeit – anerkennen und strukturell berücksichtigen. Auch wenn das anspruchsvolle Hamburger Wahlrecht mit den Mehrmandatskreisen nicht auf den ersten Blick paritätischen Regelungen gut zugänglich erscheint, liefert diese Änderung in der Hamburgischen Landesverfassung die Grundlage, ein Modell für ein paritätisches
Wahlrecht zu entwickeln.

4. Fazit
Eine Verfassungsänderung zur Förderung der Geschlechterparität – durch paritätische Kandidat*innenlisten – wirkt darauf hin, strukturelle Hürden abzubauen und Hamburg als Wegbereiterin für gleichberechtigte politische Teilhabe zu positionieren. Hamburg muss in Deutschland Vorreiterin sein, wie man Demokratie zukunftsfähig, gleichberechtigt und verfassungsgemäß gestaltet. Auch in anderen Ländern wie Frankreich, Spanien, Belgien und Mexiko zeigen Paritätsregelungen bereits erfolgreich, dass Demokratie durch Geschlechtergerechtigkeit gestärkt wird.

Überweisungs-PDF: