2025/I/Kul/3 Kultur für alle in der HafenCity, statt Milliardärs-Oper

Status:
Annahme

Der Landesparteitag der SPD Hamburg möge beschließen:
Die sozialdemokratischen Mitglieder des Hamburger Senats und die SPD-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft setzen sich für das Folgende ein:
Auf dem Baakenhöft in der HafenCity wird kein neues Opernhaus errichtet. Stattdessen setzen wir uns dafür ein, dass auf dem Baakenhöft Flächen bereitgestellt werden für eine Erweiterung der HafenCity-Universität, ein Stadtteilkulturzentrum und ein Dokumentationszentrum für Hamburgs koloniales Erbe. Den ehemaligen Kakaospeicher „Schuppen 29“ erhalten wir im Sinne des Denkmalschutzes. Zur Umsetzung der genannten Projekte streben wir ein breites Bürger*innen-Beteiligungsprogramm an.
Der Hamburger Senat wird aufgefordert zu prüfen, welche Alternativen zur geplanten Sanierung der Staatsoper am Gänsemarkt bestehen und ob ein Verzicht auf die Sanierung unter Berücksichtigung finanzieller, kultureller und städtebaulicher Aspekte möglich ist. Dabei soll insbesondere geprüft werden, ob die hohen Kosten in Höhe von mehreren Hundert Millionen Euro vermieden und stattdessen in andere kulturelle oder soziale Projekte investiert werden können.

Begründung:

Zu Beginn dieses Jahres wurden die Absprachen zwischen dem Hamburger Senat und der Kühne-Stiftung des Schweizer Milliardärs Klaus-Michael Kühne bekannt. Im Gegenzug für die kostenlose Bereitstellung und bauliche Vorbereitung des Grundstückes auf der Halbinsel Baakenhöft errichtet die Kühne-Stiftung ein Opernhaus, das danach in den Besitz der Hansestadt Hamburg übergeht und die Hamburgische Staatsoper beherbergen soll, die dafür aus dem denkmalgeschützten Opernhaus am Gänsemarkt auszieht.
Wir freuen uns darüber, dass Klaus-Michael Kühne erkannt hat, dass er als einer der reichsten Männer Europas auch einen Beitrag zum Gemeinwohl leisten muss. Als Jungsozialist*innen haben wir aber mehrere große Kritikpunkte am Opernbau-Vorhaben, die für uns so schwer wiegen, dass wir dieses in seiner Gesamtheit ablehnen.
Die Standortentscheidung und generelle Projektplanung sind zutiefst undemokratisch. Aus unserer Sicht sollen nicht einzelne Milliardäre entscheiden, wie große kulturpolitische Vorhaben umgesetzt werden – diese Entscheidungen können nur demokratisch herbeigeführt werden. Gerade Klaus-Michael Kühne soll sich nicht mit lokaler Kulturförderung brüsten, solange er aus steuerlichen Gründen seinen Erstwohnsitz nicht in Hamburg, sondern in der Schweiz angibt.
Die Hamburgische Staatsoper ist im Gegensatz zur Elbphilharmonie nur selten ausgebucht. Oper ist ein Zuschussgeschäft und das ist auch okay. Dafür müssen wir aber kein neues und deutlich größeres Operngebäude errichten. Das Baakenhöft ist der letzte unbeplante Fleck in der HafenCity – auf einem Grundstück, das dreimal so groß ist wie die Wiener Staatsoper, lässt sich aber noch deutlich mehr und deutlich wichtigeres unterbringen.
Die HafenCity-Universität – die einzige Hochschule Norddeutschlands, an der alle Fachrichtungen des Bauens unter einem Dach vereint sind – leidet bereits jetzt an massiven Raumproblemen. Auf einem Teil des Baakenhöfts stehen momentan noch die Märchenwelten in denen studentische Arbeitsräume untergebracht sind. Mit dem Bau der neuen Oper fallen diese Flächen weg, weswegen unsere Studiengänge höchstwahrscheinlich nicht reakkreditiert werden – das heißt, Hamburg verliert eine ganze Generation an Studierenden für Architektur, Stadtplanung und Bauingenieurswesen. Dabei müsste die HCU in Anbetracht der momentanen Baukrise eigentlich größer werden. Das Baakenhöft ist die einzige Fläche in der Nähe, die dafür infrage kommt.
Die HafenCity ist dank der Wohnraumpolitik des sozialdemokratischen Senats diverser als viele denken. Am Baakenhafen befinden sich viele Sozial- und Genossenschaftswohnungen, in denen Menschen wohnen, die nicht zum klassischen bürgerlichen Opernpublikum gehören. Als Stadtteil mit vielen Porsches und Luxus-Shops fehlt diesen Menschen vor allem eins: soziale Infrastruktur, die auch ihre Interessen wahrnimmt. Die HafenCity soll keine kalte Schlafstadt sein, sondern ein Stadtteil mit einem vielfältigen eigenständigen Kulturleben. Dafür reichen abendliche Opernvorstellungen nicht aus, sondern es bedarf eines großen Stadtteilzentrums, in dem viele verschiedene soziale Milieus sich wiederfinden und engagieren können.
Der Baakenhafen ist mittlerweile fast vollständig neubebaut. Das Baakenhöft ist der einzige Teil des Baakenhafens, der noch eine authentische Hafenfläche darstellt. Gerade diesen Ort gilt es zu schützen, denn der Baakenhafen ist von großer geschichtlicher Bedeutung. Von diesem Pier wurden zwischen 1904 und 1907 ca. 18.000 deutsche Soldaten feierlich verabschiedet, um in die deutsche Kolonie „Deutsch-Südwest“ in See zu stechen und dort den Völkermord an den Herero zu begehen. Dieser Völkermord im heutigen Namibia ist das wohl größte Verbrechen der deutschen Kolonialgeschichte – das Baakenhöft ist einer der letzten authentischen Orte, die in Zusammenhang mit diesem Genozid stehen. Die Forschungsstelle für Hamburgs (post)koloniales Erbe der Universität Hamburg fordert zurecht eine Gedenkstätte und ein Dokumentationszentrum an diesem historischen Ort.
Der ehemalige Kakaospeicher „Schuppen 29“, der auf dem Baakenhöft liegt, ist der letzte Speicher seiner Art in der HafenCity. Deswegen müsste er für die „Bewahrung charakteristischer Eigenheiten des Stadtbildes“ nach dem Hamburgischen Denkmalschutzgesetz als Baudenkmal dauerhaft erhalten bleiben. Der Kaispeicher kann auch unter Beibehaltung des baulichen Zustandes weiter für Kultur und andere Zwecke benutzt werden, wie viele vergangene Ausstellungen dort beweisen. Der Hamburger Denkmalschutzverein setzt sich darüber hinaus für einen hochwertigen Erhalt der Oper am Gänsemarkt ein. Habt ihr alle schon die Petition unterschrieben?

Beschluss: Annahme in geänderter Fassung
Text des Beschlusses:

Der Landesparteitag der SPD Hamburg möge beschließen:
Die sozialdemokratischen Mitglieder des Hamburger Senats und die SPD-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft setzen sich für das Folgende ein:
1. Die Stadt Hamburg nimmt die Schenkung eines neuen Opernhauses am Baakenhöft durch die Kühne-Stiftung an und bringt sich aktiv in seine Umsetzung ein. Dabei soll besonderer Wert auf eine öffentlich zugängliche Gestaltung des Areals gelegt werden – durch offene Architektur und eine qualitätsvolle Freiraumgestaltung mit hoher Aufenthaltsqualität für alle Menschen.
2. Die durch den Opernbau wegfallenden Flächen auf dem Baakenhöft, die durch die HafenCity-Universität genutzt werden, sollen möglichst in der direkten Nähe zum Hauptstandort ersetzt werden.
3. In räumlicher Nähe des Opernneubaus, im Bereich des Baakenhafens, soll ein Ort entstehen, der an Hamburgs Rolle im kolonialen System erinnert. Ziel ist es, die historische Bedeutung des Hafens als Ausgangspunkt kolonialer Gewalt sichtbar zu machen.
4. Die städtische Gedenkstättenkonzeption wird konsequent umgesetzt. Zu einer lebendigen Erinnerungskultur zählen neben der Erneuerung bestehender NS-Gedenkstätten auch Provenienzforschung und institutionelle Aufarbeitung. Mit der Dekolonisierungsstrategie soll zudem die koloniale Vergangenheit Hamburgs stärker in den Fokus gerückt werden.

Begründung:
Mit dem geplanten Opernneubau am Baakenhöft entsteht ein bedeutendes neues Kulturprojekt für Hamburg. Wir begrüßen die Realisierung dieses Vorhabens unter der Bedingung, dass es offen, demokratisch und sozial zugänglich für alle gestaltet wird. Der öffentliche Raum in der HafenCity darf kein exklusiver Ort sein, sondern muss Menschen aus allen Teilen der Stadt willkommen heißen.
Die HafenCity-Universität leistet einen wichtigen Beitrag, um die langfristigen Ziele im Wohnungsbau und in der Stadtentwicklung zu erreichen, indem sie die benötigten Fachkräfte von morgen ausbildet. Dieser wichtigen Funktion soll auch in den nächsten Jahren bei der Weiterentwicklung der Hochschule Rechnung getragen werden. Da durch den Bau der neuen Oper am Baakenhöft universitär genutzte Flächen wegfallen, bedarf es in direkter Nähe zum Hauptstandort geeigneter Flächen, um den universitären Betrieb dauerhaft zu sichern und Entwicklungsperspektiven zu erhalten.
Gleichzeitig steht in der HafenCity auch die Erinnerungskultur im Fokus. Der Hafen war nicht nur Tor zur Welt, sondern auch Ausgangspunkt kolonialer Ausbeutung und Gewalt. Vom Baakenhafen aus nahmen deutsche Kolonialexpeditionen ihren Anfang, die zur Unterdrückung, Versklavung und zum Völkermord an den Herero und Nama führten. Diese Geschichte darf nicht verdrängt werden. Sie gehört sichtbar in das Stadtbild – als Teil einer aktiven, demokratischen Erinnerungskultur. Die HafenCity bietet die Chance, Orte des Lernens und Gedenkens in ein modernes Stadtquartier zu integrieren. Ein Erinnerungsort am Baakenhafen kann dazu beitragen, die koloniale Vergangenheit Hamburgs öffentlich zu machen und Verantwortung für diese Geschichte zu übernehmen.
Mit der Gedenkstättenkonzeption und der Dekolonisierungsstrategie verfügt Hamburg über tragfähige Konzepte für eine erinnerungspolitische Auseinandersetzung mit NS-Zeit und Kolonialgeschichte. Entscheidend ist nun, vorhandene Strukturen zu nutzen, weiterzuentwickeln und im Stadtraum sichtbar zu machen. Diesen Weg wollen wir verantwortungsvoll fortsetzen und mit klugen Impulsen ausbauen – nicht durch Symbolpolitik, sondern durch konkrete Schritte, die dauerhaft wirken.

Beschluss-PDF:
Überweisungs-PDF: