2023/II/Eur/1 Europapolitischer Leitantrag des Landesvorstands

Wir leben in einer Welt im Umbruch. Eine Welt, in der neue Machtzentren entstehen und um Einfluss und Deutungshoheit ringen. Uns Europäerinnen und Europäern wird zunehmend deutlich, dass die Umbrüche nicht vor uns Halt machen. Im Gegenteil: Sie fordern die Europäische Union als Demokratie- und Friedensgemeinschaft direkt heraus. Dabei bleibt – auch wenn es schon oft geschrieben oder gesagt wurde – richtig, dass die großen Herausforderungen dieser Welt im Wandel sich nicht national lösen lassen, sondern die europäische Zusammenarbeit erfordern. Dies gilt im Streben nach Frieden und Sicherheit sowie in der Verteidigungspolitik, beim Klimaschutz und der Transformation unserer Wirtschaft hin zur Nutzung erneuerbarer Energien, beim Erhalt und Ausbau sozialer Rechte und guter Arbeit. Um dem politischen Paradigmenwechsel – auch in Hinblick auf unsere Wirtschafts- und Finanzpolitik – zu begegnen, braucht es mutige Entscheidungen.

Hamburg muss als internationales Handelszentrum seine Rolle in einer multipolaren Welt neu definieren. Als starke Metropole in einem souveränen und modernen Europa geht es für Hamburg darum, ein Motor einer europäisch eingebetteten Innovations- und Wirtschaftspolitik zu sein, die dazu beiträgt, unsere Sicherheit im umfassenden Sinn zu erhalten und die Grundlage für sozialen Zusammenhalt und künftigen Wohlstand zu schaffen.

Dieser Hamburger Leitantrag kann und will nicht alle derzeit wichtigen europapolitischen Themen adressieren, sondern wird sich auf Aspekte fokussieren, die für unsere Stadt von besonderer Bedeutung sind.

I. Für eine starke Europäische Union

In zwei großen Krisen der jüngeren Vergangenheit hat die Europäische Union ihre Handlungsfähigkeit bewiesen: Nach dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie hat die EU schnell umfangreiche Maßnahmen ergriffen, um die sozioökonomischen Folgen der Pandemie abzufedern. In Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine hat die EU entschlossen gehandelt und weitreichende Sanktionen gegen Russland verhängt. Die vom russischen Präsidenten Putin erhoffte Spaltung Europas angesichts des Krieges ist nicht erfolgt. Vielmehr addieren sich mittlerweile acht Sanktionspakete gegen Russland zu den härtesten Maßnahmen, die die EU je getroffen hat, und zeugen von der Einigkeit in der Ablehnung des Angriffskrieges gegen die Ukraine zwischen den europäischen Institutionen und Mitgliedsstaaten. Wir stehen für die Idee eines demokratischen und solidarischen Europas ein. Dazu gehört insbesondere auch, den Verteidigungskampf der Ukraine für Freiheit, territoriale Integrität und Selbstbestimmung weiter zu unterstützen.

Ohne die bestehenden Konflikte zwischen EU-Mitgliedsstaaten, langwierige Verfahren der Entscheidungsfindung oder den Korruptionsskandal der zurückliegenden Legislaturperiode im Europaparlament zu übersehen, tritt die SPD Hamburg deshalb für eine starke Europäische Union ein, die soziale Gerechtigkeit und Wohlstand fördert, die Herausforderungen des Klimawandels als globale Vorreiterin angeht und unsere Sicherheit durch strategische Zusammenarbeit stärkt. Um die Handlungsfähigkeit der EU auch künftig zu sichern, braucht es effizientere Entscheidungsprozesse. Daher setzen wir uns als Sozialdemokratie weiterhin für die Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzips ein. Zudem braucht es eine engere Kooperation der Mitgliedsstaaten in Fragen der Sicherheit und Verteidigung.  In der Asyl- und Migrationspolitik gilt es, zu einer solidarischen Lösung zu kommen, die die Last gleichermaßen zwischen den Mitgliedstaaten verteilt, und damit auch für die Kommunen tragbar ist. Die aktuellen Verhandlungen zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, das einerseits eine verpflichtende solidarische Verteilung von Geflüchteten vorsieht, sowie andererseits Abkommen mit Drittstaaten, damit Menschen ohne Asylgründe auch rückgeführt werden können, begrüßen wir ausdrücklich. Unabhängig von den aktuellen Reformhaben steht für uns fest: Das Sterben auf dem Mittelmeer muss aufhören. Seenotrettung darf nicht kriminalisiert werden, illegale Pushbacks sind nicht hinnehmbar und die EU muss legale Einreisemöglichkeiten für Geflüchtete ausbauen. Gleichzeitig spricht sich die SPD Hamburg für die Verstärkung der multilateralen Zusammenarbeit der Europäischen Union aus. Elementar sind weiterhin eine koordinierte Klimaschutzpolitik und ein gemeinsamer EU-Haushalt für wichtige Projekte. Um das Europäische Parlament in seiner Rolle als demokratisches Kontrollorgan zu stärken, braucht es zudem eine Erweiterung der Befugnisse in Haushalts- und Gesetzgebungsfragen und die Einführung von EU-weiten Steuern unter Budgethoheit des Europäischen Parlaments.

II. Wir brauchen eine europäische Hafenpolitik mit der nötigen Infrastruktur

Der Hamburger Hafen ist der größte Hafen der Exportnation Deutschland. Er ist für den Wohlstand unserer Stadt und die Versorgung der europäischen Binnenmärkte von besonderer Bedeutung. Von Hamburg aus werden die Regale in ganz Europa gefüllt. Die stets emotional geführte Diskussion um die Zukunft des Hafens macht deutlich, dass die Hafenpolitik von hoher Bedeutung ist. Bundeskanzler Olaf Scholz hat Recht, wenn er im September 2023 bei der Nationalen Maritimen Konferenz „eine europäische Hafenpolitik zur Sicherung eines fairen Wettbewerbs und höhere Investitionen in die Zukunft der Häfen – von Reedereien, Logistikern und vom Staat“ fordert.

Die Hamburger SPD fordert die EU-Institutionen auf, eine gemeinsame Strategie für die Förderung der maritimen Wirtschaft zu erarbeiten, die die Bedürfnisse der großen europäischen Häfen – darunter Hamburg – berücksichtigt. Es geht dabei um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Häfen im globalen Wettbewerb ihre Entwicklung als Knotenpunkte der Energiewende, wo u.a. Potenziale für die Einfuhr von LNG oder Wasserstoff liegen, und um die Zukunft von Ausbildung und Beschäftigung in der Hafenwirtschaft. Eine Strategie der maritimen Industrie muss zugleich berücksichtigen, dass Häfen zur kritischen Infrastruktur gehören, die angesichts der aktuellen Krisen und Konflikte geschützt werden muss. Klar ist: Bei allem Veränderungsdruck, der auf den europäischen Häfen lastet, um die Transformation hin zu mehr Klimaschutz, Digitalisierung und Wirtschaftlichkeit zu bewältigen: Nur die Sozialdemokratie garantiert, dass Mitbestimmung und Arbeitnehmerrechte für alle gewahrt bleiben und auch im Hamburger Hafen gute Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten vorherrschen.

Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass europäische Fördermittel für die dringend erforderlichen Investitionen genutzt werden, beispielsweise um die eine Digitalisierung von Abläufen voranzubringen und die entsprechenden Netze dafür auszubauen. Besonderer Fokus muss dabei auf dem Ausbau der Infrastrukturanbindung des Hafens liegen. Hamburg ist bereits heute führend beim Weitertransport von Gütern aus dem Hafen per Schiene. Doch auch hier muss die Infrastruktur kontinuierlich ausgebaut, erneuert und modernisiert werden. Wir begrüßen das Vorhaben der EU-Kommission, die Verordnung zu transeuropäischen Verkehrsnetzen (TEN-V) zu überarbeiten und teilen die Ziele eines effektiven, multimodalen und klimaschonenden Verkehrsnetzes in der gesamten EU. Dies bedeutet aber einen hohen Investitionsbedarf auch in Norddeutschland, da sich in Hamburg drei der neun von der EU-Kommission ausgewiesenen „europäischen Verkehrskorridore“ kreuzen.

Im Interesse der europäischen Klimaschutzziele muss insbesondere der Gütertransport auf der Schiene durch Investitionen und Modernisierung gestärkt werden. Von zentraler Bedeutung ist dabei die Einführung der Digitalen Automatischen Kupplung (DAK) im Schienengüterverkehr. Diese Möglichkeit der automatischen Verbindung zwischen den Wagen würde einen erheblichen Effizienzgewinn des Schienengüterverkehrs bedeuten und die Kapazität entsprechend steigern. Das Ziel der EU-weiten Einführung der DAK ist zwar noch in weiter Ferne, aber Hamburg wäre ein optimaler Standort für eine Pilotphase, in der EU-Fördermittel sinnvoll investiert wären. Der Hamburger Hafen hätte einen klaren Standortvorteil, wenn die schon heute gute Schienenanbindung weiter verbessert würde.

III. Europäischer und globaler Handel

Handel ist das Lebenselixier der Weltwirtschaft. Weil Produktion überwiegend in globalisierten Wertschöpfungsketten stattfindet, müssen Produkte transportiert und gehandelt werden. Die europäische Handelspolitik ist ein Schlüsselinstrument dafür, dass Handel fair und gerecht abläuft – sowohl innerhalb der EU als auch mit unseren außereuropäischen Nachbarn.

Die Hamburger SPD steht zu dem Europäischen Lieferkettengesetz und dem darin enthaltenen Anspruch, überall in Produktions- und Lieferprozessen auf Menschenrechte, Arbeitsschutz,  faire Entlohnung und Umweltschutz zu achten. Hamburg ist Deutschlands Fair-Trade-Hauptstadt. Deshalb setzen wir uns für fairen Handel und die konsequente Anwendung des Lieferkettengesetzes ein. Die Hamburger SPD schließt sich der Forderung sozialdemokratischer Abgeordneter im Europaparlament an, dass in der EU der Import und die Vermarktung von Produkten verboten wird, die nachweislich auf Zwangsarbeit in der Produktion beruhen.

Wir stehen für regalbasierte internationale Wirtschaftsbeziehungen. Handelsabkommen sind dafür grundsätzlich ein guter Weg, wenn diese die Menschenrechte achten, Arbeitnehmerrechte verbessern und eine nachhaltige Entwicklung fördern. Die SPD Hamburg begrüßt deshalb, dass die EU-Kommission seit Juni 2022 Nachhaltigkeitsziele in Handelsabkommen verankern will. Dies muss nun auch umgesetzt werden.

Wir Sozialdemokrat*innen setzen auf  Handelsverträge der EU mit Partnerländern, die Anreize schaffen, Schritt für Schritt die Arbeitsbedingungen in Drittländern zu verbessern. Wir fordern die EU-Institutionen dazu auf, insbesondere die Anerkennung und Umsetzung der acht Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation in Handelsverträgen zu garantieren.

IV. Ein soziales und demokratisches Europa – gegen Hass, Hetze und Spaltung

Eine der größten Gefahren für die europäische Idee ist das Wachstum rechter und rechtspopulistischer Parteien fast überall in Europa. Auch in Deutschland hat sich eine rechtspopulistische Bewegung etabliert. Die bevorstehende Europawahl ist eine Richtungsentscheidung: Die SPD ist die starke Kraft gegen Faschismus und Menschenhass. Wir müssen und werden uns mit aller Entschlossenheit dem drohenden Rechtsruck in Europa entgegenstellen. Wir müssen gemeinsam verhindern, dass die Botschaften der Menschenfeinde in der Mitte der Gesellschaft ankommen. Wir brauchen dafür auch ein entschlossenes Vorgehen gegen Desinformation und Fake News, das sich an die jeweils relevanten technischen Standards anpasst und für alle vielgenutzten Plattformen gilt. Es braucht mehr denn je Zusammenhalt und es braucht eine Politik, die sich dafür einsetzt. Eine Politik, die den Fokus auf soziale Gerechtigkeit, Bildung und den Schutz der Schwachen legt; die Toleranz und Solidarität stärkt und die das Gemeinsame in den Mittelpunkt stellt – denn nur wenn so wird unsere Europäische Gemeinschaft langfristig Bestand haben. Eine Politik der klaren Kante gegen Rassismus und Fremdenhass, die aber auch den Dialog mit enttäuschten Wählerinnen und Wählern sucht. Diese Grundüberzeugungen leiten die SPD Hamburg in ihrem politischen Wirken in Hamburg und dies erwarten wir auch von allen Sozialdemokrat*innen in den europäischen Institutionen.

V. Europa muss nachhaltig und sozial agieren

Der „Green Deal“ der Europäischen Union ist das zentrale Gesetzgebungsprojekt für mehr Klima- und Umweltschutz in Europa. Er zählt trotz aller Schwächen in Details zu den besonderen Erfolgen der zu Ende gehenden europäischen Legislaturperiode. Die vielen Verordnungen und Programme, die den Energieverbrauch senken und die Erzeugung regenerativer Energie ausbauen und beschleunigen sollen, gehen grundsätzlich in die richtige Richtung. Wir setzen uns dafür ein, dass die Energiepolitik stärker europäisiert wird, damit wir die Klimaziele erreichen und unser Kontinent für künftige Krise wiederstandfähiger wird. Bis wir unsere Energiebeschaffung vollständig dekarbonisiert haben, wollen wir beim Einkauf fossiler Energieträger stärker europäisch zusammenarbeiten. Der gemeinsame Gas-Einkauf im Rahmen der EU-Energieplattform ist dafür ein Positivbeispiel und sollte künftig Standard sein. Darüber hinaus wollen wir unsere Energienetze stärker verzahnen und dafür gemeinsame Standards in der Energiepolitik setzen. Für Hamburg wird zudem zentral sein, dass sich die europäische Wasserstoff Strategie im Einklang mit der von Hamburg initiierten norddeutschen Wasserstoffstrategie umgesetzt wird.

 

Für uns Sozialdemokrat*innen besteht aber bei all dem sozialpolitischer Handlungsbedarf. Ein „Green Deal“, der Menschen mit geringeren Einkommen belastet, kann kein Erfolg werden. Dafür braucht es auch auf europäischer Ebene Förderprogramme für Bürger*innen und für Unternehmen gleichermaßen. Der Europäische Sozialfonds ist dafür ein gutes Instrument, das mit mehrjährigen Fördermöglichkeiten Aufbauprozesse ermöglicht. Wir müssen Arbeitsplätze sichern und die Menschen aktiv einbinden in die Veränderungsprozesse, die zum Schutze des Planeten nötig sind. Die EU-Richtlinie zu angemessenen Mindestlöhnen in Europa vom Herbst 2022 begrüßen wir ausdrücklich. Allerdings kennen wir aus der deutschen Diskussion die Notwendigkeit, angesichts von Inflation und der wirtschaftlichen Entwicklung immer wieder über die angemessene Höhe von Mindestlöhnen diskutieren zu müssen. Wir fordern das Europaparlament deshalb auf, eine Mindestlohnkommission einzurichten, in der europäische Arbeitgeber und Arbeitnehmer paritätisch besetzt die Richtlinie evaluieren und eine Empfehlung für angepasste Mindestlöhne abgeben. Um der hohen Jugendarbeitslosigkeit in Europa zu begegnen, möchten wir zudem die europäische Jugendgarantie für 15- bis 29-jährige fortsetzen und nationalstaatlich konsequent umsetzen.

VI. Hamburg braucht eine starke sozialdemokratische Stimme in Europa

Hamburgs Selbstbezeichnung als „Tor zur Welt“ macht es deutlich: Die Perspektive unserer Stadt ist international, wir verstehen uns als weltoffene Metropole mitten in Europa. Hamburg ist ein Drehkreuz für Menschen, Waren und Ideen mit vielen europäisch agierenden Unternehmen, Institutionen und Initiativen. Um unsere europäische Orientierung zu repräsentieren und den spezifischen Interessen eines Stadtstaats mit Europas drittgrößtem Hafen, einer vielfältigen und internationalen Bevölkerung, vielen internationalen Unternehmen und Institutionen auch in Europa Gewicht zu verleihen, muss Hamburg auch in der Europäischen Union vertreten sein und sich aktiv an EU-Initiativen beteiligen. Deswegen ist es gut, dass in Brüssel das Hanseoffice als permanenter Vernetzungsakteur zwischen Hamburg und den EU-Institutionen agiert. Aufbau und Pflege enger Beziehungen zu anderen europäischen Städten und Regionen sind für Hamburg ebenfalls unerlässlich.

Hamburg braucht aber auch eine starke sozialdemokratische Stimme in Europa. In Hamburg stellt die SPD seit 2011 unter Beweis, dass sie als Regierungspartei das Gemeinwesen gestaltet, wichtige Aufgaben wie den Wohnungsbau, die Erweiterung des ÖPNV, die Verbesserung der Bildungsqualität und vieles andere umsetzt und dabei die verschiedenen Interessen der Hamburgerinnen und Hamburger berücksichtigt und ausgleicht. Nur die SPD hat die ganze Stadt im Blick und macht Politik für alle. Diesem Anspruch werden wir uns auch im Europaparlament stellen. Die SPD Hamburg unterstützt daher die/den Hamburger Spitzenkandidat*in zur Europawahl geschlossen und entschlossen. Wir kämpfen am 9. Juni 2024 gemeinsam für ein starkes, vielfältiges und demokratisches Europa!

Beschluss: Annahme
Text des Beschlusses:

Wir leben in einer Welt im Umbruch. Eine Welt, in der neue Machtzentren entstehen und um Einfluss und Deutungshoheit ringen. Uns Europäerinnen und Europäern wird zunehmend deutlich, dass die Umbrüche nicht vor uns Halt machen. Im Gegenteil: Sie fordern die Europäische Union als Demokratie- und Friedensgemeinschaft direkt heraus. Dabei bleibt – auch wenn es schon oft geschrieben oder gesagt wurde – richtig, dass die großen Herausforderungen dieser Welt im Wandel sich nicht national lösen lassen, sondern die europäische Zusammenarbeit erfordern. Dies gilt im Streben nach Frieden und Sicherheit sowie in der Verteidigungspolitik, beim Klimaschutz und der Transformation unserer Wirtschaft hin zur Nutzung erneuerbarer Energien, beim Erhalt und Ausbau sozialer Rechte und guter Arbeit. Um dem politischen Paradigmenwechsel – auch in Hinblick auf unsere Wirtschafts- und Finanzpolitik – zu begegnen, braucht es mutige Entscheidungen.

Hamburg muss als internationales Handelszentrum seine Rolle in einer multipolaren Welt neu definieren. Als starke Metropole in einem souveränen und modernen Europa geht es für Hamburg darum, ein Motor einer europäisch eingebetteten Innovations- und Wirtschaftspolitik zu sein, die dazu beiträgt, unsere Sicherheit im umfassenden Sinn zu erhalten und die Grundlage für sozialen Zusammenhalt und künftigen Wohlstand zu schaffen.

Dieser Hamburger Leitantrag kann und will nicht alle derzeit wichtigen europapolitischen Themen adressieren, sondern wird sich auf Aspekte fokussieren, die für unsere Stadt von besonderer Bedeutung sind.

I. Für eine starke Europäische Union

In zwei großen Krisen der jüngeren Vergangenheit hat die Europäische Union ihre Handlungsfähigkeit bewiesen: Nach dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie hat die EU schnell umfangreiche Maßnahmen ergriffen, um die sozioökonomischen Folgen der Pandemie abzufedern. In Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine hat die EU entschlossen gehandelt und weitreichende Sanktionen gegen Russland verhängt. Die vom russischen Präsidenten Putin erhoffte Spaltung Europas angesichts des Krieges ist nicht erfolgt. Vielmehr addieren sich mittlerweile acht Sanktionspakete gegen Russland zu den härtesten Maßnahmen, die die EU je getroffen hat, und zeugen von der Einigkeit in der Ablehnung des Angriffskrieges gegen die Ukraine zwischen den europäischen Institutionen und Mitgliedsstaaten. Wir stehen für die Idee eines demokratischen und solidarischen Europas ein. Dazu gehört insbesondere auch, den Verteidigungskampf der Ukraine für Freiheit, territoriale Integrität und Selbstbestimmung weiter zu unterstützen.

Ohne die bestehenden Konflikte zwischen EU-Mitgliedsstaaten, langwierige Verfahren der Entscheidungsfindung oder den Korruptionsskandal der zurückliegenden Legislaturperiode im Europaparlament zu übersehen, tritt die SPD Hamburg deshalb für eine starke Europäische Union ein, die soziale Gerechtigkeit und Wohlstand fördert, die Herausforderungen des Klimawandels als globale Vorreiterin angeht und unsere Sicherheit durch strategische Zusammenarbeit stärkt. Um die Handlungsfähigkeit der EU auch künftig zu sichern, braucht es effizientere Entscheidungsprozesse. Daher setzen wir uns als Sozialdemokratie weiterhin für die Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzips ein. Zudem braucht es eine engere Kooperation der Mitgliedsstaaten in Fragen der Sicherheit und Verteidigung.  In der Asyl- und Migrationspolitik gilt es, zu einer solidarischen Lösung zu kommen, die die Last gleichermaßen zwischen den Mitgliedstaaten verteilt, und damit auch für die Kommunen tragbar ist. Die aktuellen Verhandlungen zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, das einerseits eine verpflichtende solidarische Verteilung von Geflüchteten vorsieht, sowie andererseits Abkommen mit Drittstaaten, damit Menschen ohne Asylgründe auch rückgeführt werden können, begrüßen wir ausdrücklich. Unabhängig von den aktuellen Reformhaben steht für uns fest: Das Sterben auf dem Mittelmeer muss aufhören. Seenotrettung darf nicht kriminalisiert werden, illegale Pushbacks sind nicht hinnehmbar und die EU muss legale Einreisemöglichkeiten für Geflüchtete ausbauen. Gleichzeitig spricht sich die SPD Hamburg für die Verstärkung der multilateralen Zusammenarbeit der Europäischen Union aus. Elementar sind weiterhin eine koordinierte Klimaschutzpolitik und ein gemeinsamer EU-Haushalt für wichtige Projekte. Um das Europäische Parlament in seiner Rolle als demokratisches Kontrollorgan zu stärken, braucht es zudem eine Erweiterung der Befugnisse in Haushalts- und Gesetzgebungsfragen und die Einführung von EU-weiten Steuern unter Budgethoheit des Europäischen Parlaments.

II. Wir brauchen eine europäische Hafenpolitik mit der nötigen Infrastruktur

Der Hamburger Hafen ist der größte Hafen der Exportnation Deutschland. Er ist für den Wohlstand unserer Stadt und die Versorgung der europäischen Binnenmärkte von besonderer Bedeutung. Von Hamburg aus werden die Regale in ganz Europa gefüllt. Die stets emotional geführte Diskussion um die Zukunft des Hafens macht deutlich, dass die Hafenpolitik von hoher Bedeutung ist. Bundeskanzler Olaf Scholz hat Recht, wenn er im September 2023 bei der Nationalen Maritimen Konferenz „eine europäische Hafenpolitik zur Sicherung eines fairen Wettbewerbs und höhere Investitionen in die Zukunft der Häfen – von Reedereien, Logistikern und vom Staat“ fordert.

Die Hamburger SPD fordert die EU-Institutionen auf, eine gemeinsame Strategie für die Förderung der maritimen Wirtschaft zu erarbeiten, die die Bedürfnisse der großen europäischen Häfen – darunter Hamburg – berücksichtigt. Es geht dabei um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Häfen im globalen Wettbewerb ihre Entwicklung als Knotenpunkte der Energiewende, wo u.a. Potenziale für die Einfuhr von LNG oder Wasserstoff liegen, und um die Zukunft von Ausbildung und Beschäftigung in der Hafenwirtschaft. Eine Strategie der maritimen Industrie muss zugleich berücksichtigen, dass Häfen zur kritischen Infrastruktur gehören, die angesichts der aktuellen Krisen und Konflikte geschützt werden muss. Klar ist: Bei allem Veränderungsdruck, der auf den europäischen Häfen lastet, um die Transformation hin zu mehr Klimaschutz, Digitalisierung und Wirtschaftlichkeit zu bewältigen: Nur die Sozialdemokratie garantiert, dass Mitbestimmung und Arbeitnehmerrechte für alle gewahrt bleiben und auch im Hamburger Hafen gute Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten vorherrschen.

Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass europäische Fördermittel für die dringend erforderlichen Investitionen genutzt werden, beispielsweise um die eine Digitalisierung von Abläufen voranzubringen und die entsprechenden Netze dafür auszubauen. Besonderer Fokus muss dabei auf dem Ausbau der Infrastrukturanbindung des Hafens liegen. Hamburg ist bereits heute führend beim Weitertransport von Gütern aus dem Hafen per Schiene. Doch auch hier muss die Infrastruktur kontinuierlich ausgebaut, erneuert und modernisiert werden. Wir begrüßen das Vorhaben der EU-Kommission, die Verordnung zu transeuropäischen Verkehrsnetzen (TEN-V) zu überarbeiten und teilen die Ziele eines effektiven, multimodalen und klimaschonenden Verkehrsnetzes in der gesamten EU. Dies bedeutet aber einen hohen Investitionsbedarf auch in Norddeutschland, da sich in Hamburg drei der neun von der EU-Kommission ausgewiesenen „europäischen Verkehrskorridore“ kreuzen.

Im Interesse der europäischen Klimaschutzziele muss insbesondere der Gütertransport auf der Schiene durch Investitionen und Modernisierung gestärkt werden. Von zentraler Bedeutung ist dabei die Einführung der Digitalen Automatischen Kupplung (DAK) im Schienengüterverkehr. Diese Möglichkeit der automatischen Verbindung zwischen den Wagen würde einen erheblichen Effizienzgewinn des Schienengüterverkehrs bedeuten und die Kapazität entsprechend steigern. Das Ziel der EU-weiten Einführung der DAK ist zwar noch in weiter Ferne, aber Hamburg wäre ein optimaler Standort für eine Pilotphase, in der EU-Fördermittel sinnvoll investiert wären. Der Hamburger Hafen hätte einen klaren Standortvorteil, wenn die schon heute gute Schienenanbindung weiter verbessert würde.

III. Europäischer und globaler Handel

Handel ist das Lebenselixier der Weltwirtschaft. Weil Produktion überwiegend in globalisierten Wertschöpfungsketten stattfindet, müssen Produkte transportiert und gehandelt werden. Die europäische Handelspolitik ist ein Schlüsselinstrument dafür, dass Handel fair und gerecht abläuft – sowohl innerhalb der EU als auch mit unseren außereuropäischen Nachbarn.

Die Hamburger SPD steht zu dem Europäischen Lieferkettengesetz und dem darin enthaltenen Anspruch, überall in Produktions- und Lieferprozessen auf Menschenrechte, Arbeitsschutz,  faire Entlohnung und Umweltschutz zu achten. Hamburg ist Deutschlands Fair-Trade-Hauptstadt. Deshalb setzen wir uns für fairen Handel und die konsequente Anwendung des Lieferkettengesetzes ein. Die Hamburger SPD schließt sich der Forderung sozialdemokratischer Abgeordneter im Europaparlament an, dass in der EU der Import und die Vermarktung von Produkten verboten wird, die nachweislich auf Zwangsarbeit in der Produktion beruhen.

Wir stehen für regalbasierte internationale Wirtschaftsbeziehungen. Handelsabkommen sind dafür grundsätzlich ein guter Weg, wenn diese die Menschenrechte achten, Arbeitnehmerrechte verbessern und eine nachhaltige Entwicklung fördern. Die SPD Hamburg begrüßt deshalb, dass die EU-Kommission seit Juni 2022 Nachhaltigkeitsziele in Handelsabkommen verankern will. Dies muss nun auch umgesetzt werden.

Wir Sozialdemokrat*innen setzen auf  Handelsverträge der EU mit Partnerländern, die Anreize schaffen, Schritt für Schritt die Arbeitsbedingungen in Drittländern zu verbessern. Wir fordern die EU-Institutionen dazu auf, insbesondere die Anerkennung und Umsetzung der acht Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation in Handelsverträgen zu garantieren.

IV. Ein soziales und demokratisches Europa – gegen Hass, Hetze und Spaltung

Eine der größten Gefahren für die europäische Idee ist das Wachstum rechter und rechtspopulistischer Parteien fast überall in Europa. Auch in Deutschland hat sich eine rechtspopulistische Bewegung etabliert. Die bevorstehende Europawahl ist eine Richtungsentscheidung: Die SPD ist die starke Kraft gegen Faschismus und Menschenhass. Wir müssen und werden uns mit aller Entschlossenheit dem drohenden Rechtsruck in Europa entgegenstellen. Wir müssen gemeinsam verhindern, dass die Botschaften der Menschenfeinde in der Mitte der Gesellschaft ankommen. Wir brauchen dafür auch ein entschlossenes Vorgehen gegen Desinformation und Fake News, das sich an die jeweils relevanten technischen Standards anpasst und für alle vielgenutzten Plattformen gilt. Es braucht mehr denn je Zusammenhalt und es braucht eine Politik, die sich dafür einsetzt. Eine Politik, die den Fokus auf soziale Gerechtigkeit, Bildung und den Schutz der Schwachen legt; die Toleranz und Solidarität stärkt und die das Gemeinsame in den Mittelpunkt stellt – denn nur wenn so wird unsere Europäische Gemeinschaft langfristig Bestand haben. Eine Politik der klaren Kante gegen Rassismus und Fremdenhass, die aber auch den Dialog mit enttäuschten Wählerinnen und Wählern sucht. Diese Grundüberzeugungen leiten die SPD Hamburg in ihrem politischen Wirken in Hamburg und dies erwarten wir auch von allen Sozialdemokrat*innen in den europäischen Institutionen.

V. Europa muss nachhaltig und sozial agieren

Der „Green Deal“ der Europäischen Union ist das zentrale Gesetzgebungsprojekt für mehr Klima- und Umweltschutz in Europa. Er zählt trotz aller Schwächen in Details zu den besonderen Erfolgen der zu Ende gehenden europäischen Legislaturperiode. Die vielen Verordnungen und Programme, die den Energieverbrauch senken und die Erzeugung regenerativer Energie ausbauen und beschleunigen sollen, gehen grundsätzlich in die richtige Richtung. Wir setzen uns dafür ein, dass die Energiepolitik stärker europäisiert wird, damit wir die Klimaziele erreichen und unser Kontinent für künftige Krise wiederstandfähiger wird. Bis wir unsere Energiebeschaffung vollständig dekarbonisiert haben, wollen wir beim Einkauf fossiler Energieträger stärker europäisch zusammenarbeiten. Der gemeinsame Gas-Einkauf im Rahmen der EU-Energieplattform ist dafür ein Positivbeispiel und sollte künftig Standard sein. Darüber hinaus wollen wir unsere Energienetze stärker verzahnen und dafür gemeinsame Standards in der Energiepolitik setzen. Für Hamburg wird zudem zentral sein, dass sich die europäische Wasserstoff Strategie im Einklang mit der von Hamburg initiierten norddeutschen Wasserstoffstrategie umgesetzt wird.

Für uns Sozialdemokrat*innen besteht aber bei all dem sozialpolitischer Handlungsbedarf. Ein „Green Deal“, der Menschen mit geringeren Einkommen belastet, kann kein Erfolg werden. Dafür braucht es auch auf europäischer Ebene Förderprogramme für Bürger*innen und für Unternehmen gleichermaßen. Der Europäische Sozialfonds ist dafür ein gutes Instrument, das mit mehrjährigen Fördermöglichkeiten Aufbauprozesse ermöglicht. Wir müssen Arbeitsplätze sichern und die Menschen aktiv einbinden in die Veränderungsprozesse, die zum Schutze des Planeten nötig sind. Die EU-Richtlinie zu angemessenen Mindestlöhnen in Europa vom Herbst 2022 begrüßen wir ausdrücklich. Allerdings kennen wir aus der deutschen Diskussion die Notwendigkeit, angesichts von Inflation und der wirtschaftlichen Entwicklung immer wieder über die angemessene Höhe von Mindestlöhnen diskutieren zu müssen. Wir fordern das Europaparlament deshalb auf, eine Mindestlohnkommission einzurichten, in der europäische Arbeitgeber und Arbeitnehmer paritätisch besetzt die Richtlinie evaluieren und eine Empfehlung für angepasste Mindestlöhne abgeben. Um der hohen Jugendarbeitslosigkeit in Europa zu begegnen, möchten wir zudem die europäische Jugendgarantie für 15- bis 29-jährige fortsetzen und nationalstaatlich konsequent umsetzen.

VI. Hamburg braucht eine starke sozialdemokratische Stimme in Europa

Hamburgs Selbstbezeichnung als „Tor zur Welt“ macht es deutlich: Die Perspektive unserer Stadt ist international, wir verstehen uns als weltoffene Metropole mitten in Europa. Hamburg ist ein Drehkreuz für Menschen, Waren und Ideen mit vielen europäisch agierenden Unternehmen, Institutionen und Initiativen. Um unsere europäische Orientierung zu repräsentieren und den spezifischen Interessen eines Stadtstaats mit Europas drittgrößtem Hafen, einer vielfältigen und internationalen Bevölkerung, vielen internationalen Unternehmen und Institutionen auch in Europa Gewicht zu verleihen, muss Hamburg auch in der Europäischen Union vertreten sein und sich aktiv an EU-Initiativen beteiligen. Deswegen ist es gut, dass in Brüssel das Hanseoffice als permanenter Vernetzungsakteur zwischen Hamburg und den EU-Institutionen agiert. Aufbau und Pflege enger Beziehungen zu anderen europäischen Städten und Regionen sind für Hamburg ebenfalls unerlässlich.

Hamburg braucht aber auch eine starke sozialdemokratische Stimme in Europa. In Hamburg stellt die SPD seit 2011 unter Beweis, dass sie als Regierungspartei das Gemeinwesen gestaltet, wichtige Aufgaben wie den Wohnungsbau, die Erweiterung des ÖPNV, die Verbesserung der Bildungsqualität und vieles andere umsetzt und dabei die verschiedenen Interessen der Hamburgerinnen und Hamburger berücksichtigt und ausgleicht. Nur die SPD hat die ganze Stadt im Blick und macht Politik für alle. Diesem Anspruch werden wir uns auch im Europaparlament stellen. Die SPD Hamburg unterstützt daher die/den Hamburger Spitzenkandidat*in zur Europawahl geschlossen und entschlossen. Wir kämpfen am 9. Juni 2024 gemeinsam für ein starkes, vielfältiges und demokratisches Europa!

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