Der SPD-Landesparteitag möge beschließen:
Die sozialdemokratischen Mitglieder von Senat und Bürgerschaft setzen sich für folgendes ein:
- Wir fordern die Schaffung einer Beschwerdestelle für diskriminierende Vorfälle im Geschäftsbereich der Behörde für Schule und Berufsbildung. Zur Sicherung einer unabhängigen Arbeit hat diese Beschwerdestelle lediglich der Rechts-, nicht aber der Fachaufsicht der BSB zu unterstehen.
2. Auftrag der Beschwerdestelle ist:
a) Die Aufklärung von diskriminierenden Vorfällen im Geschäftsbereich der BSB,
b) Die Beratung von Betroffenen diskriminierender Vorfälle,
c) Die Sanktionierung von Täter*innen, welche im Geschäftsbereich der BSB beschäftigt sind und wiederholt durch diskriminierendes Verhalten auffallen.
3. Schüler*innen und Beschäftigte im Geschäftsbereich der BSB haben das Recht, sich im Falle einer Benachteiligung durch diskriminierendes Verhalten einer Lehrkraft oder anderweitig im Geschäftsbereich der BSB tätigen Person an die Antidiskriminierungsstelle zu wenden. Die Beschwerde ist zu prüfen und der*die Beschwerdeführer*in über das Ergebnis der Prüfung zu informieren.
4. Zweck und Auftrag sowie Ausstattung und Verfahrensweise der Antidiskriminierungsstelle sind im Schulgesetz zu verankern. Insbesondere betrifft dies:
a) Definition und Verbot von Diskriminierung sowie Verfahrensweisen und mögliche zu verhängende Sanktionen,
b) Festlegung des Auftrags, der Befugnisse sowie Ausstattung,
c) Festlegung einer Mitwirkungspflicht der Schulen,
d) Festlegung der Rechte Betroffener,
e) Die Festlegung, dass die Beschwerdestelle im Sinne der Beschwerdeführer*innen tätig wird und versucht, eine Verbesserung ihrer Situation zu erreichen. Die Beschwerdestelle Berät und Unterstützt in dem Sinne parteiisch, dass eine Beschwerde nur auf einem mit der betroffenen Person erarbeiteten Weg gelöst und bearbeitet wird.
5. Beschäftigte im Geschäftsbereich der BSB sowie anderer in Schulen tätiger staatlicher Stellen wie die bei SBH/GMH beschäftigten Schulhausmeister*innen werden zum regelmäßigen Besuch von Antidiskriminierungsworkshops verpflichtet.
6. Der Landesparteitag wird bis einschließlich Frühjahr 2024 durch den SPD-Landesvorstand über die Umsetzung des Antrags informiert.
In Hamburg sind alle Kinder ab dem sechsten Lebensjahr schulpflichtig. Diese Schulpflicht dauert elf Schulbesuchsjahre und endet spätestens mit Vollendung des 18. Lebensjahres. In dieser Zeit sollen Kinder sowohl schulische Bildung, als auch soziale Kompetenzen vermittelt bekommen. Das umfasst ein weites Feld von Einstellungen, Werten und Verhaltensweisen. Somit nimmt die Schule eine zentrale Rolle im Leben eines Kindes ein und prägt ihn sein Leben lang.
Gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 Hamburgisches Schulgesetz (HmbSG) richtet sich der Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule an den Werten des Grundgesetzes aus. Nach Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG darf niemand wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauung benachteiligt oder bevorzugt werden. Trotz der Stellung und des Bewusstsein der wichtigen gesellschaftlichen Institution Schule ist Diskriminierung bei der Schulempfelung, der Benotung und des Abschlusses grausame Realität. Letzten Endes bestimmt dies auch in vielen Fällen den sozialen Status in der Gesellschaft.
Es ist nicht unbekannt, dass in Schulen Diskriminierung in den verschiedensten Formen existiert. Die Repräsentativbefragung der Antidiskriminierungsstelle zu Diskriminierungserfahrungen in Deutschland ergab, dass 23,7% aller Befragten in den letzten zwei Jahren Diskriminierung im Bildungsbereich erlebt haben (ADS 2016).
Eine andere Befragung der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) von Menschen mit Migrationshintergrund aus der Türkei oder aus Sub-Sahara-Afrika zeigt, dass 6 bzw. 10 Prozent der Befragten in den letzten 12 Monaten im Schulkontext Diskriminierung aufgrund ihrer Hautfarbe, ethnischen Herkunft oder Religion erlebt haben (FRA 2017).
Das zeigt einfach auch deutlich und unmissverständlich die Missstände im Bildungssystem auf. Es ist schon lange überfällig, den betroffenen Opfern ein einfaches unbürokratisches Mittel in die Hand zu geben, um Ihre Rechte einzufordern und durchzusetzen.
Diskriminierung hat weitreichende Folgen, die man ernst nehmen muss. Diskriminierungserfahrung im jungen Lebensalter hat einen negativen Einfluss auf die Entwicklung von Kindern. Sie schaden Kindern in ihrem Selbstwertgefühl und stellen ein großes Hindernis für eine positive Identitätsentwicklung dar. In einzelnen Fällen können Diskriminierungserfahrungen traumatisierend wirken. Dauerhaft der Gefahr von Diskriminierung ausgesetzt zu sein, kann sich also auf die Gesundheit der Betroffenen auswirken, aber auch auf das Verhältnis zur direkten sozialen Umgebung, das eigene Sicherheitsgefühl und das Verhältnis zu politischen Institutionen.
Die Soziologen Quent, Daniel Geschke und Peinelt (2014) diskutieren, dass Erfahrungen von Betroffenen rechter und rassistischer Gewalt sich auch nachteilig auf das soziale Umfeld auswirken. Sie zeigen auf, dass von Betroffenen verschiedene Vermeidungsstrategien verwendet bzw. in Erwägung gezogen werden. Das Vertrauen in staatliche Institutionen (z.B. Polizei, Gerichte) sei geringer als bei Nicht-Betroffenen. Genau deswegen ist der Kampf gegen die Diskriminierung für die Demokratie überlebenswichtig. Um diesem beunruhigenden Trend entgegenzuwirken, benötigt es eine Beschwerdestelle.
Der SPD-Landesparteitag möge beschließen:
Die sozialdemokratischen Mitglieder von Senat und Bürgerschaft werden aufgefordert, zu prüfen, wie eine Beschwerdestelle für diskriminierende Vorfälle im Geschäftsbereich der Behörde für Schule und Berufsbildung eingerichtet werden kann. Dabei sind der Auftrag der Beschwerdestelle und die rechtliche Verankerung auszugestalten. Hierbei sind unter anderem die folgenden Punkte zu berücksichtigen:
- Die Beschwerdestelle soll für Schüler*innen, Eltern und Beschäftigte niedrigschwellig erreichbar sein.
- Die Aufgaben der Beschwerdestelle sollen die Beratung Betroffener und die Aufklärung von diskriminierenden Vorfällen sowie die Durchführung von Antidiskriminierungsworkshops umfassen.
- Die Bearbeitung von eingegangenen Beschwerden soll in enger Absprache mit den betroffenen Personen geschehen.
- Die Beschwerdestelle soll eine möglichst hohe Unabhängigkeit bei der Bearbeitung ihres Auftrages erhalten.