2022/II/Teilh/9 Erziehungsleistungsrente statt Mütterrente - Übertragung von Erziehungszeiten flexibilisieren

Der Landesparteitag möge beschließen und an den Bundesparteitag weiterleiten:

  1. Die Übertragung von Erziehungszeiten auf die Person, welche die Erziehung vorrangig übernommen hat, ist bis zum Bezugsbeginn der Rente jederzeit und unbegrenzt rückwirkend möglich. Dazu bedarf es der übereinstimmenden Erklärung von Mutter und Vater. Diese Regelung gilt auch unbefristet rückwirkend für Fälle, die vor der Neuregelung eingetreten sind. Hierfür ist eine sachgerechte Regelung zu erarbeiten, so dass die gewünschte Aufteilung der Anerkennung auch der tatsächlichen Aufteilung der Erziehungsleistung entspricht.
  2. Erziehungszeiten werden künftig im Normalfall in einem Verhältnis zwischen Vater und Mutter aufgeteilt, welches der in der Gesellschaft vorfindbaren Realität entspricht. Eine paritätische Aufteilung erfolgt als Normalfall, wenn sich Zahl und Zeitraum der Erziehungsleistung die Väter leisten, Zahl und Zeitraum der Mütter angeglichen hat.
Begründung:

Erziehungszeiten werden im Normalfall der Mutter zugeordnet. Sofern Erziehungszeiten dem Vater zugeordnet werden sollen, ist eine übereinstimmende Erklärung beider Elternteile erforderlich. Dies ist jedoch nur für zukünftige Erziehungszeiten und rückwirkend für bis zu zwei Monate möglich.

Dieser sogenannte Normalfall soll gewährleisten, dass die Erziehungszeit als gesellschaftliche Aufgabe nicht zu einer Schlechterstellung der Frau durch geringere Zeiten der Berufstätigkeit führt. Dies entspricht jedoch einem veralteten Familien- und Berufsbild. Inzwischen nehmen immer mehr Väter die Erziehungsaufgaben gleichberechtigt oder sogar vollständig wahr, während die Mütter einer Berufstätigkeit nachgehen. Diese gewünschte Änderung der Aufgabenteilung in der Familie wird jedoch durch das geltende Verfahren behindert. Die wenigsten Väter und Mütter wissen um die Einschränkungen bei der Übertragung. Während der Zeit der Familiengründung ist der Eintritt in das Rentenalter – naturgemäß – zumeist in weiter Ferne. Zu einer Zeit, in der sich die Familien jedoch Gedanken um die jeweilige Altersrente machen, ist es nicht mehr möglich, eine Übertragung vorzunehmen. Das ist eine nicht gerechtfertigte Benachteiligung von Familien, die von dem klassischen Rollenbild absichtlich abweichen und stellt eine Geschlechterdiskriminierung dar.

Unser Ziel muss es sein, dass Väter wie Mütter die gleichen Chancen haben, für ihre Kinder Sorge zu leisten bzw. am Berufsleben teilhaben zu können. Dies ist erst dann erreicht, wenn die Lebensrealität das auch spiegelt und ebenso viele Männer wie Frauen und vor allem auch in vergleichbarem zeitlichem und qualitativem Umfang Erziehungs- und Berufsarbeit leisten. Hierfür sind noch viele Hürden – nicht zuletzt die ungleiche Entlohnung – zu überwinden. Wenn dies jedoch erreicht ist, soll der Normalfall die paritätische Aufteilung der Erziehungszeiten sein. Bis dahin sind die Aufteilungen anhand der vorfindbaren Lebensrealität zu prüfen und ggfs. anzupassen. Im Individualfall kann eine andere Aufteilung durch die Erziehungsleistenden gemeinsam bestimmt werden. Hierbei sind geeignete Bedingungen zu schaffen, dass die gewünschte Aufteilung der Anerkennung auch der tatsächlichen Aufteilung der Erziehungsleistung entspricht.

In einfacher Sprache:

Wer Kinder erzieht hilft allen Menschen in unserer Gesellschaft. Aber oft geht deshalb die Mutter nicht arbeiten. Hierfür bekommt sie automatisch vom Staat eine Gutschrift für die Rente. Drei Jahre für jedes Kind. So als wäre sie arbeiten gegangen.

Manchmal bleiben aber die Väter zu Hause und erziehen die Kinder. Das ist auch gut so. In jeder Familie kann man das frei entscheiden. Dann gehen die Mütter arbeiten.

Dann können auch die Väter die drei Jahre gutgeschrieben bekommen. Aber sie müssen das beantragen. Das geht nur bis das Kind 3 wird. Und auch nicht nachträglich. Sonst bekommt automatisch die Mutter diese Gutschrift. Das ist nicht gut. Viele wissen das nicht. Dann haben die Väter die Erziehung gemacht. Sie bekommen aber weniger Rente. Das merkt man erst viel später. Oder gar nicht. Man denkt ja als junge Familie noch gar nicht an die Rente.

Das soll anders werden. Mütter und Väter sollen gemeinsam entscheiden, wer die Gutschrift bekommt. Das kann auch später gemacht werden. Wenn die Kinder älter als 3 sind. Oder die Gutschrift wird geteilt. Das ist dann gerecht.

Beschluss: Annahme in geänderter Fassung
Text des Beschlusses:

Der Landesparteitag möge beschließen und an den Bundesparteitag weiterleiten:

  1. Die SPD setzt sich für eine Neugestaltung der Anrechnung der Erziehungsleistungen auf die gesetzliche Rente derart ein, dass die Übertragung von Erziehungszeiten auf die Person, welche die Erziehung vorrangig übernommen hat bis zum Bezugsbeginn der Rente und rückwirkend möglich ist. Dazu bedarf es der übereinstimmenden Erklärung von Mutter und Vater bzw. den Erziehungsberechtigten. Dies soll auch rückwirkend für Fälle, die vor der Neuregelung eingetreten sind, gelten.

2. Erziehungszeiten sollen vom Gesetzgeber bei der   Anrechnung künftig regelhaft als zwischen den  Erziehungsberechtigten aufgeteilt gelten. Eine paritätische Aufteilung erfolgt als Normalfall, wenn sich Zahl und Zeitraum der Erziehungsleistung die Väter leisten, Zahl und Zeitraum

Beschluss-PDF:
Überweisungs-PDF: